Visionen und internationale Strahlkraft
Entwürfe & Modelle von Ole Scheeren im Karlsruher ZKM
Karlsruhe. Ob innovative Hochhausbauten, gestapelte Wolkenkratzer oder Wohnprojekte weltweit: Der Karlsruher Ole Scheeren gehört längst international zu den bekanntesten Architekten der Gegenwart. Architektur ist für ihn eine Art Körper oder Bühne des menschlichen Lebens, wie er bei der Ausstellungseröffnung im Karlsruher ZKM betonte. Über ihre reine Funktionalität hinaus aktivieren seine Gebäude im Sinne von Scheerens Motto „form follows fiction“ die Vorstellungen, Fantasien und Emotionen der Menschen, die in ihnen wohnen und arbeiten.
Als weltweit bestes Hochhausprojekt für städtischen Lebensraum wurde 2014 seine Wohnanlage „The Interlace“ in Singapur mit dem „Urban Habitat Award“ des „Rats für Hochhäuser und urbanes Wohnen“ in Chicago, und 2015 als „World Building of the Year“ vom internationalen „World Architecture Festival“ ausgezeichnet.
Visionen werden umgesetzt
Ob „Empire City Towers Complex“ in Ho-Chi-Minh-Stadt, „Fifteen Fifteen by Ole Scheeren“ in Vancouver, „Abaca Mactan Resort“ auf den Philippinen oder der neue Hauptsitz von Tech-Gigant "ZTE": Seine Visionen, seine Entwürfe, seine Skizzen und seine Modelle sind bis 4. Juni 2023 in den Lichthöfen des ZKM zu sehen, es sind „Architektur-Skulpturen“, so Karlsruhes OB Dr. Frank Mentrup bei der Eröffnung der Ausstellung, diese ließen sich in den dafür geradezu prädestinierten Hallen bestens in Szene setzen. Das reale Erleben, gepaart mit dem virtuellen Erlebnis lässt sich dabei auch in Karlsruhe erleben, denn mit dem Smartphone lassen sich auch Beziehungen im Bereich der „Augmented Reality“ (AR) herstellen. Es ist zudem die schiere Masse der Exponate, die Betrachter in ihren Bann ziehen wird, die dabei Lust macht, sich intensiver mit dem Thema Architektur auseinanderzusetzen.
Zum ersten Mal sind die Exponate von Scheeren in seiner Heimatstadt zu sehen. Er, der seit 2010 ein eigenes Büro mit Niederlassungen in Hongkong, Peking, Berlin und London führt (mittlerweile rund 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter), ist nur noch selten „zuhause“ in Karlsruhe, erinnere sich aber noch gerne an seine Abende zum Beispiel im „Schauburg-Kino“. Architektur ist für ihn, der schon früh damit im Elternhaus in Kontakt kam, „ein mit dem Leben verflochtener Organismus“.
Geschichte
In den 1990er Jahren trat er in Karlsruhe während seines Studiums an der Uni sichtbar in Erscheinung – bei „Jürgens Modegeschäft in der Waldstraße – danach nahm er internationalen Kurs auf, geprägt durch seine erste Station mit Rem Koolhaas in Rotterdam. Er sei ein“ Meister der Realität“, so ZKM-Chef Peter Weibel, der zeige, was das Bauen heute bedeute. Denn längst seien Asien und der arabische Raum die Orte auf der Welt, die neues Bauen sichtbar zeigen.
Neue Formen seien zudem nötig, um die Form des heutigen Lebens abzubilden. Bei ihm werden einst getrennte Funktionsbereiche wie Wohnen & Arbeiten, Kommerz & Kultur aufgebrochen: Scheeren entwirft Räume, bei denen die Bedürfnisse des Menschen im Mittelpunkt stehen.
Realität in der Ausstellung
Leben & Lebensraum, die Form folge hier der Fiktion, so Weibel, der Lebensraum sei so eingebunden in die Umgebung: „Gebaute Utopien!“ Besonders wird dies in der Ausstellung in den Lichthöfen selbst sichtbar, in denen sich inmitten der Entwürfe und Modelle auch Einblicke in die reale Welt ergeben, durch eine „social wall“, die durch Christian Lölkes vom ZKM Hertz Lab eingebunden wurde, die in Echtzeit Bilder von den Architekturorten in die Ausstellung übermittelt.
Eine solche Ausstellung sei auch ein emotionales Erlebnis, gab Scheeren zu: Die Gebäude seien keine stummen Gebäude, sie sind eingebunden in den Alltag – ob in Bangkok mit einem Park auf dem Gebäude, der Komplexität des CCTV-Komplexes in China oder beim Beispiel in Ho-Chi-Minh-Stadt, wo es den Eindruck erweckt, ein Stück Boden werde der Natur für einen „Sky Forrest“ entrissen. Stadt und Natur kämen dabei hybrid daher, böten Bewohnerinnen und Bewohnern auch eine Vielfalt der Möglichkeiten. Die großen Räume im ZKM seien auf der einen Seite ideal für seine Konstrukte, aber auf der anderen Seite auch schwierig, zu bespielen. Die Erinnerung an Karlsruhe sei zudem eine Konfrontation mit seiner eigenen Entwicklung und Geschichte, wie er betonte.
Besuch der Ausstellung
In einem besonderen Zeitstrahl sind übersichtlich 88 besondere Projekte aus seinem Büro zu sehen – von den Anfängen bis zum Jahr 2022, inklusive einem Entwurf für das geplante Landratsamt, das aber von der Jury nicht berücksichtigt wurde. Vielleicht hätte die Ausstellung ja vor Entscheidung der Jury über die Bühne gehen sollen?
Die Ausstellung – eine Kooperation zwischen ZKM, „OS Archive“, Stadt Karlsruhe und „Karlsruhe Marketing und Event“ – bietet auch eine Reihe von AR-Erlebnissen, die vor den Exponaten in den Lichthöfen aktiviert werden können. Beim Scannen des entsprechenden QR-Codes wird das Gebäude in seine reale Umgebung „transferiert“, erlaubt zudem auch Einblicke in die Innenräume. Eine solche Ausstellung mit internationaler Strahlkraft ist auch für die Reputation der Stadt zuträglich, dazu auch eine große Hausnummer für den Tourismus in der Fächerstadt.
Autor:Jo Wagner |
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