Sonnenbad in Karlsruhe
Sonnenbad durch Fernwärme gasfrei

Foto: Nicolas van Ryk
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Sonnenbad durch Fernwärme gasfrei

Deutschlands berühmtestes Freibad in Karlsruhe wird ohne Gas nachhaltig beheizt

Karlsruhe (NvR). "Jede Kilowattstunde zählt", ist derzeit zu hören,  wenn es darum geht angesichts des Krieges in der Ukraine und den damit verbundenen Sanktionen der westlichen Wertegemeinschaft gegen den Aggressor Russland vorzusorgen. Die Sorge ist, daß die russische Seite mit Putin als nahezu uneingeschränkt regierender Präsident Russlands, russisches Gas nicht mehr nach Westen liefert. Und von diesem bisher billigem Gas, aber auch von Kohle und Erdöl war und ist Deutschland im privaten wie im wirtschaftlichen Bereich besonders abhängig. Beim Erdgas unter der Kanzlershaft Schröders zu 35 Prozent, unter Kanzlerin Merkel sogar zuletzt unter 55 Prozent. Nun heißt es "Weg vom Gas" auch wenn die Klimaschutzziele spätestens seit Merkels Grönlandbesuch 2009 eine Dekarbonisierung unserer Gesellschaft hätten einleuchten lassen. 

Aber zurück zum Gas. Um also jetzt kein Gas für die Stromerzeugung zu verschwenden, wird das Wirtschaften der "schwäbischen Hausfrau"  allerorten zur Staatsraison ausgerufen in Habecks Bundeswirtschaftsministerium mit Schnellduschempfehlungen, der Stuttgarter Villa Reitzenstein Kretschmanns mit Waschlappenpflege und dem Karlsruher Rathaus unter Oberbürgermeister Mentrup mit Energiesparaktionismus. Kurzum auf allen politischen Ebenen unserer Gesellschaft soll in die Hände gespukt werden und tief in das Alltagsleben der Einzelnen eingegriffen werden. Dass nachts die Rathäuser und Denkmale nicht mehr angestrahlt werden sollen, obwohl produzierter Strom so nicht lagerbar ist und nichts gespart werden kann, seis drum. Dann eben symbolisch. Bei den Schloßlichtspielen immerhin hörte diese Art von Symbolik auf. Immerhin. 

Schnell aber können Entscheider nun auf ein scheinbar viel geeigneteres Feld kommen. Unter dem Motto "Badeschluss für Energie und Frieden" könnten jetzt schon wieder, Frei- und Hallenbäder geschlossen werden, damit kein Gas und Strom verbraucht wird. Ganz wie während der Corona-Pandemie, weil ja in etwas mehr als  6000 deutschen Bädern kein einziger Corona Fall auftrat. Dafür aber Kinder nicht mehr schwimmen lernten, dicker wurden und Erwachsene nicht mehr Gesundheitsfürsorge und Körperhygiene pflegen konnten. Allein bis Ende August 2022 hat die Zahl der Ertrunkenen laut DLRG in Deutschland in diesem Jahr auf 299 zugenommen.

So jetzt wieder. Am besten im Karlsruher  Sonnenbad. Das Bad in Karlsruhe in der Nähe des Rheinhafens ist das einzige Freibad in Deutschland, das von Mitte Februar bis zum 1. Advent geöffnet hat. Es wurde 1915 als Sport-, Militär- und Hygienebad neben dem damaligen Elektrizitätswerk von 1901 erbaut. Auch heute noch erfüllt es neben dem Freizeitwert wichtige Funktionen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Es dient als Trainingsbad für die Karlsruher Feuerwehrleute, mit seinen sechs 50-Meter-Bahnen als olympisches Sportbad, als Reinigungsbad zur Verbesserung des allgemeinen Wohlemfindens und als Freitzeittreff für junge und ältere Menschen mit seiner großen von alten Bäumen beschatteten Liegewiese mit dem Nichtschwimnerbecken, dem Duschpilz und derSauna mit abgeschirmten Innen- und Außenbereich. Ferner lernen Kinder im Sonnenbad Schwimmen und es dient zur Erhaltung der körperlichen und mentalen Gesundheit für alle Gesellschaftsklassen.
Ein rund 800 Mitglieder starker Freundeskreis engagiert sich seit Jahren für möglichst lange Öffnungszeiten des Traditionsbades und hat bisher Badanlagen und Einrichtungen im Millionenbereich mitfinanziert.

Eins aber kann das Sonnenbad nicht. Nämlich Gas verbrauchen. Seit zehn Jahren hängt es am Fernwärmenetz der Miro. Das ist die Mineralölraffinerie Oberrhein und Deutschlands zweitgrößte Raffinerie. Die dort raffinierten Kraftstoffe versorgen ganz Süddeutschland und sind systemrelevant. Das Rohöl kommt aus einer knapp 700 Kilometer langen Pipeline aus der ostitalienischen Hafenstadt Triest, die am adrianischen Mittelmeer liegt. Von da aus über den Suezkanal wird Erdöl aus den nahöstlichen und fernöstlichen Ölländern per Supertanker geliefert. Also kein Gas aus Putins Russland, wenngleich Rosneft 24 Prozent der Miro gehören. Dieser Anteil ist aktuell aber von der deutschen Regierung unter Staatsaufsicht gestellt worden.

Bei diesem Raffinerieprozess der Miro entsteht zwangsläufig Abwärme, die seit etwas mehr als zehn Jahren in Zusammenarbeit mit den Karlsruher Stadtwerken gut ein Drittel der  Karlsruher Haushalte mit Heizungswärme versorgen. Die Nähe der Miro zu Karlsruhe  macht ein Fernwärmenetz erst sinnvoll, da über so ein Netz nicht viel weiter als 15 Kilometer Umkreis versorgt werden können. Die Wärme geht mit 60 Grad Celsius bei der Miro als ökologisch genutzte Abwärme heraus und kommt im Sonnenbad mit 30 Grad zurück, um damit das Becken des Bades zu erwärmen. Also der Rest vom Rest, der nicht mehr nutzbar wäre oder als Restwärme ökologisch fragwürdig in die Atmosphäre geleitet werden müsste.

Das Sonnenbad wird somit von der Restwärme der Abwärme der Fernwärme beheizt und ist damit ökologisch und ökonomisch nachhaltig.  Wegen der Vor- und Rücklauffernwärme sogar mehr als das ebenfalls mit Fernwärme beheizte Fächerbad, Vierordtbad und Europabad. Deswegen möchte der Karlsruher Bäderamtschef Oliver Sternagel diese drei Bäder nicht schließen und mit der gleichen Logik das Sonnenbad ab 9.10.22 schließen und erst wieder am 1.4.23 öffnen. Ein Widerspruch in sich. Hinzu kommt,  daß geschlossene Bäder in einem Rumpfbetrieb weiter betrieben werden müssen, da ansonten die stillgelegten Anlagen unter anderen mit Legionellen-Bakterien verseucht werden können.  
Jetzt also das Sonnenbad zu schließen, wäre so sinnvoll wie ein Feuer mit einem Brandstifter löschen zu wollen. Erfreulicherweise hat die Karlsruher FDP den ökologischen Mehrwert dieses Bades erkannt und fordert, gerade das Sonnenbad zur Entlastung der Bürger als gasfreies Bad geöffnet zu lassen. Die FDP fordert, ein günstiges Duschticket für alle und besonders für diejenigen, die zuhause mit Gas heizen müssen. Mehr noch: das Sonnenbad könnte theoretisch ganzjährig geöffnet sein,  wenn es zwei Becken hätte und das jeweils andere für Reparaturarbeiten abwechselnd für vier bis sechs Wochen geschlossen hätte. Und obendrauf könnte es als Reinigungsbad allen offen stehen, falls warm duschen zuhause doch noch zu teuer wird. Das wäre mal eine symbolische Geste mit echtem Beispielcharakter. Und Sonnenstrom kommt vom Dach des Sonnenbades jetzt schon dazu und könnte ausgebaut werden.

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Autor:

Nicolas van Ryk aus Karlsruhe

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