Musk, AfD und das Grundgesetz
Warum freie Meinungsäußerung keine Bedrohung darstellt

Elon Musk | Foto: Marko Cirkovic

Elon Musk malt in seinem Gastbeitrag ein dramatisches Bild vom angeblich kurz vor dem Zusammenbruch stehenden Deutschland und erklärt die AfD zum „letzten Funken Hoffnung“. Diese Darstellung wirkt auf den ersten Blick zugkräftig, vor allem, wenn man wirtschaftliche Sorgen im Land ernst nimmt. Doch schon der Ausgangspunkt, dass Deutschland am Rande des Totalabsturzes stehe und deshalb eine radikale Partei das Zepter übernehmen müsse, legt den Finger nicht auf konkrete Probleme, sondern verwechselt Symptome mit der vermeintlich einzigen Lösung. Musk verweist gern auf Bürokratie und Steuerschranken, die man wegräumen müsse, damit die Wirtschaft wieder erblühe. Dass die AfD aber explizit einen Austritt Deutschlands aus der EU in Betracht zieht, ignoriert die tragende Rolle, die der Binnenmarkt für unser Land spielt. Gerade durch die enge Vernetzung in Europa hat Deutschland eine robuste Exportbasis, von der große wie auch kleinere Unternehmen profitieren. Hätten wir stattdessen Zölle und Handelshemmnisse in alle Richtungen, stünden die angeblich so dringend benötigten Deregulierungen ziemlich verloren da.

Musk geht außerdem davon aus, die AfD sei jene Partei, die „kulturelle Identität bewahrt“ und durch eine harte Einwanderungspolitik für Sicherheit und Zusammenhalt sorge. Sein Argument, Deutschland hätte seine Grenzen zu weit geöffnet, verschweigt jedoch, dass politisch Verantwortliche bereits längst erkannt haben, wo das System hakt. Eine breite Gesellschaftsdiskussion über geregelte Zuwanderung und effektivere Integrationsmaßnahmen ist im Gange, und auch etablierte Parteien streiten über realistische, rechtsstaatlich saubere Lösungen. Wer stattdessen pauschal gegen Migrantinnen und Migranten wettert und eine rückwärtsgewandte „Remigration“ propagiert, schießt über jedes vernünftige Ziel hinaus und rüttelt an den humanitären Grundpfeilern des Grundgesetzes. Ein Land wie Deutschland, das sich zu „Menschenwürde“ und „Freiheit“ bekennt, sollte diesem Anspruch weiterhin gerecht werden und nicht reflexartig alles auf das vermeintlich Fremde schieben.

Wenn Musk schließlich die Energiepolitik der „etablierten Parteien“ als kostspielige Fehlentscheidung kritisiert und daraus den Schluss zieht, die AfD habe einen „pragmatischen Ansatz“, verklärt er die tatsächlichen Haltungen in diesem Parteispektrum. Zwar klingt die Idee, zur Kernenergie zurückzukehren und parallel auf Batteriespeicher zu setzen, nach „Zukunftstechnologie“. Doch wer sich auf das AfD-Programm selbst einlässt, findet dort wenig Sinn für nachhaltige Forschungspolitik oder ernsthaftes Interesse an regenerativen Energien. Die Partei, die man laut Musk so unbedingt bräuchte, nimmt auf international unabdingbare Kooperationen kaum Rücksicht und stellt stattdessen eine Kehrtwende hin zu Russland und China in Aussicht – die Abhängigkeiten, die damit einhergehen, verschwinden bei Musk unter dem Label „pragmatisch“, was man getrost als äußerst verharmlosend bezeichnen kann.

All das fügt sich in ein größeres Muster, wonach Musk der AfD eine Art „politischen Realismus“ attestiert. Dabei müssten gerade kritische Beobachter einräumen, dass nicht allein die offen homosexuelle Parteivorsitzende Alice Weidel das Gesicht der AfD prägt, sondern auch exponierte Leute wie Björn Höcke, der gerichtlich als Rechtsextremist bezeichnet werden darf. Wo Musks „Realismus“ eine Alternative zum angeblichen Versagen der anderen Parteien bietet, gehen die eigenen radikalen Positionen der AfD oft unter. Eine Partei, die den Austritt aus EU und NATO zumindest in Erwägung zieht oder verharmlosende Worte für autoritäre Regime findet, steht im krassen Widerspruch zu den international verflochtenen Interessen unseres Landes. Das ist kein kühler Realismus, sondern das Spiel mit dem Feuer – und wer darauf vertraut, riskiert Stabilität, Wohlstand und gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Gerade weil diese Fragen uns alle betreffen, wäre eine offene Auseinandersetzung mit Musks Thesen das Gebot der Stunde. Wie so oft, drohen zwei Extreme: Entweder wird jeder noch so abstruse Beitrag sofort gebrandmarkt und „wegzensiert“, oder er wird fasziniert bejubelt, ohne die inhaltliche Kritik konsequent zu benennen. Dabei haben wir in Deutschland längst alle Mittel zur Hand, um demokratisch und selbstbewusst mit so einer Meinung umzugehen. Unsere Verfassung, konkret Artikel 5 des Grundgesetzes, gibt jedem das Recht, seine Ansichten zu äußern. Das gilt für Elon Musk genauso wie für Menschen, die seine Meinung für gefährlich, lächerlich oder beides halten. Die entscheidende Stärke ist doch, dass wir es aushalten können, uns die Argumente anzuhören und sie zu entkräften, statt eine Entmündigung der Bevölkerung zu betreiben. Wer behauptet, man müsse die Leute vor solch einer AfD-Werbung schützen, bescheinigt den Bürgerinnen und Bürgern im Grunde mangelnde Urteilskraft. Tatsächlich sollten wir Musk und andere selbstbewusst fragen: Wo sind eure Belege? Wo sind eure Lösungsansätze, die über markige Parolen hinausreichen?

Ich selbst habe erlebt, wie unterschiedlich die Anhängerinnen und Anhänger der AfD mit Kritik umgehen können. Bei der letzten Bundestagswahl habe ich mich einfach neben AfD-Wahlkampfstände gestellt, mit kleinen, humorvoll gestalteten Schildern, die meinen stillen Protest ausdrückten. Damals fühlte ich mich zu keinem Zeitpunkt bedroht, und im Nachhinein kamen sogar Gespräche zustande. Manche wandten sich zwar wortreich gegen meine Ansichten, aber es blieb immerhin eine Art Dialog. Umso ernüchternder fiel meine Erfahrung im Europawahlkampf aus. Wieder zeigte ich meinen stillen Protest, doch dieses Mal wurde ich unmittelbar angefeindet, die Polizei wurde gerufen, es wurden absurde Dinge über mich in den Raum gestellt. Einer sagte allen Ernstes, ich sei „vogelfrei“, und hätte ich keine Zeugen gehabt, wäre vielleicht sogar eine Anzeige konstruiert worden. Dieses Verhalten legt nahe, dass es mit der vielgepriesenen Diskussionsbereitschaft und dem rechtsstaatlichen Verständnis einiger AfD-Sympathisanten nicht weit her ist. Wenn politische Gegner stigmatisiert und eingeschüchtert werden, ist das ein Akt des Extremismus, nicht ein Zeichen von demokratischer Kultur.

Musks Gastbeitrag selbst kann eine Demokratie wie die unsere nicht ins Wanken bringen. Viel bedenklicher sind jene Stimmen, die Angst vor kontroversen Diskussionen verbreiten und glauben, die Menschen könnten es nicht aushalten, eine radikale oder schrille Meinung zu lesen. Dabei beweist Deutschlands Geschichte, wie wichtig es ist, argumentativ gegen extreme Positionen vorzugehen, anstatt sie zu verbieten oder zu verschweigen. Musks Verlockung mag oberflächlich attraktiv klingen, schließlich liebäugelt er mit Themen wie Steuersenkungen und wirtschaftlicher Dynamik. Doch schaut man genauer hin, entpuppt sich sein Lob der AfD als ein zahnloser Versuch, einzelne Kritikpunkte an Deutschlands Bürokratie mit einer Partei zu verknüpfen, deren weitergehende Ziele in eklatantem Widerspruch zum europäischen und transatlantischen Gefüge stehen.

Letztlich braucht eine demokratische Gesellschaft keine Entmündigung oder Panikmache. Was sie braucht, ist die Fähigkeit, sich mit streitbaren Positionen auseinanderzusetzen – notfalls auch zu widersprechen und offen zu bekennen, dass eine bestimmte Politik, hier jene der AfD, nicht der Ausweg sein kann. Die Antwort auf Musks Gastbeitrag sollte daher weniger darin liegen, ihn zu dämonisieren oder ihn zu einem Helden zu stilisieren, sondern vielmehr darin, seine Argumente in Ruhe zu widerlegen und stattdessen praktikable Lösungen zu entwickeln, die unserem Land in Wirtschaft, Einwanderung, Energie und internationaler Kooperation wirklich helfen. In diesem Sinne zeigt sich: Musk irrt in seiner Prognose, dass allein die AfD Deutschland aus einer vermeintlichen Krise retten könnte. Wir dürfen ihm und seinen Befürwortern getrost widersprechen, ohne uns dabei vor lauter Aufregung selbst die Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Ordnung aus der Hand schlagen zu lassen.

Autor:

Marko Cirkovic aus Durlach

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Ausgehen & GenießenAnzeige
Karlsruhe Aktivitäten: Auch im Advent bietet die MS Karlsruhe beliebte Ausflüge an. | Foto: Thomas Adorff
2 Bilder

Karlsruhe Aktivitäten: Erlebnisse mit dem Rheinschiff

Leinen los und mit der MS Karlsruhe Sehenswürdigkeiten entdecken. Aktivitäten und Erlebnisse locken auch im Herbst und Winter. Karlsruhe Aktivitäten. Die Tage werden am Ende des Sommers immer kürzer, die Temperaturen draußen kühler. Die reizvolle Stimmung an Bord der MS Karlsruhe bleibt einzigartig. Oben auf dem Deck den zunehmend frischeren Fahrtwind zu spüren und in der Dunkelheit das Spiel der Lichter in den vorbeigleitenden Dörfer und Städte auf der badischen, pfälzischen oder elsässischen...

Wirtschaft & HandelAnzeige
Digitale PR Karlsruhe: Bruno Williams berät seine Kunden rund um Online-PR, Social Media Ads und Display Ads im Content-Umfeld der Wochenzeitung WOCHENBLATT mit wochenblatt-reporter.de und der Tageszeitung DIE RHEINPFALZ mit rheinpfalz.de.  | Foto: Bruno Williams

Digitale PR Karlsruhe: Mit Mediawerk Südwest in die Zeitung

Karlsruhe: Digitale PR über Gaststätten und Geschäfte wird in der Google-Suche schnell gefunden und erscheint im Umfeld der Zeitung.  Ansprechpartner für erfolgreiche digitale Media-Lösungen in Karlsruhe ist Digital Sales Manager Bruno Williams. Er berät seine Kunden rund um Online-PR, Social Media Ads und Display Ads im Content-Umfeld der Wochenzeitung WOCHENBLATT mit ihrem Online-Portal wochenblatt-reporter.de und der Tageszeitung DIE RHEINPFALZ mit ihrem Online-Portal rheinpfalz.de.  Events...

Online-Prospekte aus Karlsruhe und Umgebung



add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.

Powered by PEIQ