21. Erinnerungstag im deutschen Fußball 2025
Aktion im BBB Wildpark am 25.01. beim Spiel gegen Düsseldorf
Vor 80 Jahren am 27. Januar 1945 wurde das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau befreit. Jedes Jahr rund um diesen Tag gedenkt die Fußballfamilie an den Spiel- und Turniertagen der verfolgten, deportierten und ermordeten Menschen im Nationalsozialismus. In diesem Jahr soll an den Spieltagen um den 27. Januar der jüdischen und kommunistischen Mitglieder der Fußball-Familie gedacht werden, die seit April 1933 aus den Vereinen ausgeschlossen wurden.
Wenige Wochen nach dem Machtantritt Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 begannen Turn- und Sportvereine und ihre Verbände als eine der ersten gesellschaftlichen Gruppen im Land überhaupt – ohne jeden Zwang durch das noch im Aufbau befindliche NS-Regime – mit dem Ausschluss ihrer jüdischen Mitglieder. Eine Vorreiterrolle übernahm hierbei die bereits lange vor 1933 traditionell nationalkonservativ und teilweise bereits völkisch eingestellte Deutsche Turnerschaft (DT). Andere Verbände wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) verzichteten in dieser Phase auf einen verpflichtenden Arierparagraphen, der alle Mitgliedsvereine zum Ausschluss seiner Juden zwang. Hier waren es die Vereine selbst, die die Initiative zur Verdrängung der Juden übernahmen. So erklärten 13 führende Vereine Süddeutschlands in einer gemeinsamen Verlautbarung am 9. April 1933, die NS-Regierung "freudig und entschieden (…) mit allen Kräften (…) insbesondere in der Frage der Entfernung der Juden aus den Sportvereinen" zu unterstützen. Beim Karlsruher FV kam dem der ehemalige jüdische Nationalspieler Julius Hirsch zuvor, indem er selbst austrat.
Aktives Mitglied der Initiative „Erinnerungstag im Deutschen Fußball“ ist auch der Karlsruher Verein Blau-Weiss statt Braun e.V. (BWsB).
Der gemeinnützige Verein wurde im Dezember 2000 als Initiative von KSC-Fans gegen Rechtsextremismus gegründet. Der Verein wirbt für Toleranz und Gewaltfreiheit unter Fußballfans und wendet sich gegen jede Form von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Neben der Präsenz im heimischen Stadion engagiert sich BWsB auch aktiv in verschiedenen übergreifenden Initiativen wie z.B. „Nie Wieder“ (Initiative Erinnerungstag im Deutschen Fußball) oder dem „Karlsruher Bündnis gegen Rechts“ und ist laufend in den sozialen Netzwerken mit Informationen und Aufklärung zu den benannten Themen präsent, zudem werden Veranstaltungen und Bildungsfahrten organisiert. Seit einigen Jahren hat man sich auch dem Andenken der Karlsruher Fußballgeschichte um Julius Hirsch, Walter Bensemann und Gottfried Fuchs verschrieben. Im Jahr 2024 wurde BWsB für das Engagement durch die DFB-Stiftung mit dem 2. Preis des Julius-Hirsch-Preis gewürdigt.
Zusammen mit dem KSC werden seit einigen Jahren zum “Erinnerungstag im deutschen Fußball“ Aktionen im heimischen BBB Wildpark durchgeführt, so auch in diesem Jahr am 25.01.2025 im Rahmen des Spiels gegen Fortuna Düsseldorf. BWsB wird mit einem Stand zwischen der Süd- und Osttribüne über ihre Arbeit und speziell zum diesjährigen Thema „ausgeschlossene Mitglieder“ informieren. Diesbezüglich war BWsB vor einigen Jahren an einer Aufarbeitung beteiligt:
In einer Chronik des VfB Mühlburg werden der Sportarzt Dr. med. Fritz Weile und der Spieler Sigi Hess erwähnt. Auszug zu Weile: „Es war traurig und beschämend zugleich, wie dieser aktive Mann geknickt und zur Untätigkeit verurteilt in irgendeiner Ecke des Sportplatzes stand, nicht allein, wohlgemerkt, denn es gab genug aufrechte Männer, die sich seiner auch unter den neuen Verhältnissen nicht schämten. Als sich VfB-Schlussmann Egon Becker verletzte, fragte der jüdische Arzt, der aufgrund der Nazi-Gesetze gar kein Fußballspiel hätte besuchen dürfen: „Darf ich rein und helfen?“ Ligaspieler Oskar Deutsch, später Vorsitzender des VfB, in seiner Antwort: “Gehen Sie nur auf den Platz. Den möchte ich sehen, der uns da etwas anhaben will!“
Auszug „Sport in Karlsruhe“ (S. 205): Im Zuge der Gleichschaltung mussten zwei verdiente jüdische Mitglieder des FC Mühlburg den Verein verlassen, der Vereinsarzt Fritz Weile und der Mittelfeldspieler Sigi Hess. Weile, ein angesehener Mühlburger Arzt, stand dem FC Mühlburg seit den 1920er Jahren als Vereinsarzt zur Verfügung. Auszug aus der Festschrift des KSC aus dem Jahr 1954: „Dem FC Mühlburg, dem Club der einfachen Leute, war eine solche ehrenamtliche Mitarbeit von ärztlicher Seite noch nie zuteilgeworden. Dieser wahre Menschenfreund und Kamerad musste nun 1933 abtreten auf höheren Befehl. Solange er noch in Deutschland weilte, kam er nach wie vor zu den Spielen des FC Mühlburg, es war aber traurig und beschämend zugleich, wie dieser aktive Mann geknickt und zur Untätigkeit verdammt in irgendeiner Ecke des Sportplatzes stand, nicht allein, denn es gab genug aufrechte Männer, die sich seiner auch unter den neuen Verhältnissen nicht schämten“.
Weile gelang 1939 über England die Flucht in die USA, wo er eine neue Praxis aufmachte. Auch Siggi Hess konnte 1938 in die USA flüchten. Über ihn die Vereinschronik des VfB Mühlburg: „Die Theoretiker der sogenannten Rassenlehre hätten es schwer gehabt, gerade an ihm ihre „Wissenschaft“ zu beweisen: Siegfried besaß gerade die Eigenschaften, die zu besitzen eigentlich nur den blonden und blauäugigen Germanen vorbehalten war.“
Im Jahr 2010 wurde auf Antrag eines Mitglieds, die ausgeschlossenen jüdischen Mitglieder in einer Mitgliederversammlung zu rehabilitieren, unter Mitarbeit von BWsB recherchiert: sowohl beim KSC, als auch beim Stadtarchiv konnten keine weiteren Namen identifiziert werden. Fritz Weile und Siegfried Hess wurden daraufhin per Akklamation in einer Mitgliederversammlung symbolisch rehabilitiert.
Quellen:
Dietrich Schulze-Marmeling – Davidstern und Lederball
Stadtarchiv Karlsruhe - Sport in Karlsruhe (Band 28)
Vorschau:
01.03.2025 jährliches Gedenken an die deportierten jüdischen Mitbürger (darunter Julius Hirsch) an der Erinnerungsstele am Hauptbahnhof Karlsruhe
22.03.2025 Studienfahrt zur KZ-Gedenkstätte Osthofen (Anmeldung bei BWsB, kostenfrei)
Weitere Infos:
BWsB
Julius-Hirsch-Preis
Präsentationsvideo BWsB Julius-Hirsch-Preis
Initiative "Nie Wieder"
Autor:Rolf Bohrer aus Karlsruhe |
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