Literarischer Verein der Pfalz
Der Herbst ist gut – Poetenfest im Zeichen der Vielfalt
Landau-Godramstein am 25. November im evang. Gemeindesaal. Unter dem Motto „Der Herbst ist gut“ lasen 12 Autorinnen und Autoren aus der Pfalz und darüber hinaus Gedichte und Kurzprosa vor, in Hochdeutsch wie Mundart.
Das Motto leitet sich von einem Gedicht von Martha Saalfeld (1898–1976) ab, deren Geburtstag sich in diesem Jahr zum 125. Mal jährt. Naturnahe Beschreibungen, die Ernte, Stürme und Sonnenseiten des Lebens wurden thematisiert, wobei Birgit Heid, 1. Vorsitzende des Literarischen Vereins der Pfalz, auf die enorme Vielfalt und Widersprüchliches in den Sonetten von Saalfeld hinwies, das reflektierte sich teils in den gelesenen Texten. Ein Sonett ist laut Wikipedia ein Gedicht aus 14 metrisch gegliederten Verszeilen.
"Das Herz des Vogels ist geängstigt und / das Herz des Dichters. Ach, es ist das Blau / des Himmels göttlicher Betrug und schlau /verborgne Kälte; es erfriert der Mund..." (aus: Der Herbst ist gut, 1934)
In den Pausen lud der Veranstalter zum gemütlichen Tisch mit guter Verköstigung, ein Dichter brachte als Deko passend kleine Holzbuchstaben zum Reimen mit. Der Gedankenaustausch, Wiedersehn mit alten Bekannten war reizvoll, auch kamen überraschend viele Gäste, welche sich über aktuelle Literatur freuen konnten.
Das 1. Poetenfest wurde 2013 von der Sektionsleiterin in Landau Birgit Heid ins Leben gerufen, die ursprüngliche Idee brachte der Blogger und Germanist Stefan Vieregg aus Kusel ein, welcher vom Erlanger Poetenfest schwer beeindruckt war.
Somit ein Jubiläum, die ersten Feste fanden in der Kulturscheune Bachstelznest in Annweiler-Queichhambach in Kooperation mit dem Verleger und Volkskundler Helmut Seebach statt. 2019 wechselte man nach Mutterstadt, 2020 fiel es Corona zum Opfer, 2021 unter schwierigen Bedingungen in Kaiserslautern und letztes Jahr in Kirchheimbolanden, welches noch unter den Nachwirkungen der Flutkatastrophe im Ahrtal stand.
Aufgrund der kurzfristigen Absage einer Autorin wurde das fein getaktete Programm, im Block 15 Minuten Lesezeit pro Autor*in mit je 30 Minuten Pause, leicht durcheinandergewirbelt. Die Veranstaltung dauerte von 14 bis gut 19 Uhr.
Der viel bepreiste Mundartdichter Manfred Dechert aus Ludwigshafen überraschte die Gäste mit einem Sketch. Ein Ehemann erprobt sich als maskierter Sado-Masochist und wird von seinem strenggläubigen Schwiegervater zur Rede gestellt, der denkt sich, dieser muss Buße tun und schleppt ihn in dessen Bibelkreis, was weitere Schockmomente für den Kreis der Betenden auslöst. Eine gänzlich andere Seite zeigt Dechert mit dem zwiespältigen, expressionistischen Gedicht "Ich lee mei Kopp uff de Block" mit welchem er den 3. Preis beim Bockenheimer Dichterwettstreit gewann. Es schildert die letzten schaurigen Momente eines Manns vor der Enthauptung, im Angesicht des Henkers – man kann es auch als Erlösung betrachten, so Dechert.
Reiner Kranz aus Bad Schönborn trug eine Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg vor. Ein amerikanischer Pilot, dessen Flugzeug schwer beschädigt ist, zieht es gerade noch über ein Dorf und macht eine Bruchlandung in einem Waldstück. Die Besatzung überlebt, der Pilot nicht. Kranz hat in seinem Ort eine Gedenktafel angeregt. Daneben trug er sensible kurze Gedichte vor, die von guter Beobachtungsgabe zeugen.
Matthias Zech aus Speyer erzählt in einem Text vom Besuch einer Gedenkstätte, die sich auf eine Exekution im Zweiten Weltkrieg in der Normandie bezieht. Der Mundartdichter hat einen präzisen Blick, auch für Alltägliches. In "Non, je ne regrette rien" hockt der Protagonist Fritz am Kichedisch und sinniert über sein Leben mit seinen Verwerfungen nach, dabei spricht er dem Wein und Lewwerworschdebrot zu, immer wieder kommt ihm "Non, je ne regrette rien" von Edith Piaf in den Sinn. Er fühlt sich offenbar durch die Planungen seiner Frau bevormundet, findet aber vorläufig keine Lösung und schläft übermüdet nach deren Heimkehr von einer Chorpobe ein. Eine Nacht mit üblen Träumen folgt. Matthias Zech gewann im Oktober den Bockenheimer Dichterwettstreit.
Birgit Heid aus Landau-Godramstein erzählte von ihren ersten literarischen Gehversuchen, sie versuchte den Stil von Martha Saalfeld zu adaptieren, eine Zeitlang schrieb Heid jeden Tag ein Sonett. Die Autorin lernte den Schriftsteller und Lokalhistoriker Wolfgang Diehl kennen und schätzen und begab sich aufgrund dessen Anregungen auf Spurensuche, denn Saalfeld galt als nahezu vergessen. Heid besuchte das Haus in Bad Bergzabern, wo sie mit ihrem Mann, dem Graphiker Werner vom Scheidt wohnte – wurde dort herumgeführt. Daraus entstand das Gedicht "Überwachsen": "Nicht weit von ihrem Garten steht ein Baum / ganz überwuchert, angeballt, Von Zweigen, / Büschen, Efeuranken. Alter Reigen / einer Mauer sinkt. Ein Dornenraum / umgarnt das Hintertor..., was sich in ähnlicher Atmosphäre in "Herbstblatt" fortsetzt: "...Vorbei das Fest, die Gaben abgeräumt, und Kehrichtbesen warten schon, die Farben gar zu mischen und der Erde freilich darzubringen..."
Die Gedichte finden sich im Lyrikband "Partitur des Donners" wieder, erschienen 2012 in BoD. Birgit Heid wies auf die vielen jungen starken Frauenfiguren in Saalfelds Romanen hin, z. B. in "Der Wald" eine typische Diana-Gestalt. Der Vorsitzenden gefällt "Anna Morgana" besonders gut. Martha Saalfeld schildert hierin ihren Alltag als Apothekenhelferin, der Roman widerspiegelt einen einzigen Tag und vermischt Realität mit surrealen Elementen.
Der Lyriker Helmund Wiese aus Oberotterbach, promovierter Chemiker, las ein halbes Dutzend Gedichte. Diese wirken anfangs hermetisch, sprunghaft die Assoziationen. Spürbar ist aber auch sein ernsthaftes, sensibles Eingehen auf konstruktive Kritik und sein "Einfließenlassen" in neue Werke. Heid äußerte sich, seine Gedichte wirken wie ein (buntes) Kaleidoskop des Lebens, die Stationen präsentieren sich dem Hörer und Leser in rascher Folge, was einen sublimiert, abstrakten Gesamteindruck wie z. B. beim Betrachten eines Bildes von Gerhard Richter hinterlässt.
Die Dichterin Renate Demuth (Kaiserslautern-Hohenecken) stellte sechs Gedichte in Mundart vor, welche deutlich ihre Herkunft aus der Saar-Pfalz bezeugen, eine wundervolle Herbstbegehung. Heid lobte die Genauigkeit sowie den Gedankenfluss.
Lothar Seidler (Speyer) glänzte mit lustigen und satirischen Geschichten, wie um einen Gockel und einer Konditorei, zu finden u.a. in seinem Buch "Der Zufallskurier in Fahrt".
Peter Herzer (Kaiserslautern) präsentierte eine tragische Liebesgeschichte, wobei die Protagonistin mit Burnouts zu kämpfen hat. Etwas zu schnell und zu leise vorgetragen.
Aus Kriegsfeld beim Donnersberg brachte Knut Busch einen kurzen Text mit, der typisch für seinen melancholisch, warmherzigen Stil ist.
Heinz Ludwig Wüst (Gleisweiler) las aus einem Mundartbuch Geschichten wie der "Kleine Unterschied" und "Übertariflich", mit dem Thema Erntezeit im Wingert.
Ursula Dörler (Kaiserslautern-Stelzenberg) machte sich Gedanken zum Herbst mit einem fiktiven Brief an Martha Saalfeld. Birgit Heid lobte die sehr schönen Denkanregungen. Dörler artikulierte sehr munter und passend.
Ulrich Bunjes (Speyer) widmete seinen Text dem Zitat "Der Herbst ist immer unsere beste Zeit", es entstammt einem Brief Goethes vom 27. Juni 1797 an Friedrich Schiller. Philosophisches, nachdenkliches über den Herbst und seine Prägung auf das Leben, gerade im Rückblick. Der gebürtige Hamburger leitet die Autorengruppe Spira.
Birgit Heid vollzog infolge der vielen Rückmeldungen ein positives Resümee des literarischen Formats, da die "Insider" in den vergangenen Jahren fast schon unter sich gewesen waren. Es ist der Überlegung wert, ob es in Zukunft wieder eine musikalische Umrahmung und evtl. Kunstbeiträge gibt.
Autor:Peter Herzer aus Kaiserslautern |
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