Milder Winter sorgt für Frühlingserwachen: Natürlicher Rhythmus von Pflanzen und Tieren beeinträchtigt
NABU. Der milde Winter mit grünen Wiesen selbst am Feldberg, dem höchsten Gipfel des Schwarzwalds, schickt alle Wintersportfans in die Zwangspause. Doch auch für die Natur sind solch ungewöhnlich frühlingshafte Temperaturen mitunter kein Zuckerschlecken.
„Die steigenden Temperaturen seit den Weihnachtstagen mit einem Wärmerekord an Silvester haben die Natur vorzeitig aus dem Winterschlaf gerissen. Wer seitdem genauer hingehört hat, konnte vielerorts in Baden-Württemberg Amseln und Kohlmeisen wie im Frühling singen hören“, sagt NABU-Ornithologe Stefan Bosch. „Der Klimawandel hat für die Natur sehr unterschiedliche Auswirkungen. Studien aus den letzten zehn Jahren liefern eindeutige Indizien, dass die Veränderung des Klimas die Tier- und Pflanzenwelt massiv beeinflusst und verändert. Ökologische Zusammenhänge und bislang vertraute Tier- sowie Pflanzengemeinschaften werden tüchtig durcheinandergewirbelt“, erklärt Bosch.
Ein wichtiger Anzeiger für den Klimawandel sind die Vogelbestände: Wärmeliebende Vogelarten, wie Bienenfresser, Girlitz und Wiedehopf, haben mit Blick auf die Erderwärmung gute Karten. Sie profitieren von warmen Sommern sowie milden Wintern. Alpine Arten wie das Alpenschneehuhn, nordische Gänsearten und die auch Winterlerche genannte Goldammer brauchen kalte Wohlfühltemperaturen. Wo es immer wärmer wird, ziehen sie sich in Höhenlagen sowie nordwärts zurück. Ihr Bestand schrumpft daher, weil ihre Rückzugsorte geografisch begrenzt sind. „Die Verbreitungsareale und Artenzusammensetzungen von Gebieten verändern sich kontinuierlich durch den Klimawandel. Das betrifft auch heimische, überwinternde Vogelarten. Sie verändern Zug-, Brut- und Fortpflanzungszyklus. Blaumeisen, Sumpfmeisen und Kleiber balzen und brüten früher im Jahr, was zur Folge hat, dass den Nestlingen nicht das Nahrungsoptimum zur Verfügung steht“, erklärt der Vogelkenner.
Wer spät aus dem Winterquartier zurückkehrt, hat das Nachsehen. Das betrifft den Kuckuck, der sein Ei ins gemachte Nest legen will, das von den Wirtsvogeleltern aber immer früher mit eigenen Eiern bestückt wird. Auch der Trauerschnäpper gehört zu den Verlierern des sich beschleunigenden, menschgemachten Klimawandels. „Wenn der Langstreckenzieher im April und Mai aus Afrika zurückkehrt, ist die verfügbare Nestlingsnahrung nicht mehr optimal, die Konkurrenz um Nistplätze ist größer, da lokale Arten früher mit dem Brutgeschäft beginnen können, und sonst noch nicht aktive Beutegreifer wie der Siebenschläfer sind nun bereits unterwegs. Studien zeigen, dass in manchen Regionen Europas der Bestand des Trauerschnäppers bereits um 90 Prozent gesunken ist. Auch im Ländle ist der Streuobstbewohner selten geworden“, sagt Bosch. „Wir müssen unsere Anstrengungen im Klimaschutz dringend nach oben schrauben“, fordert der NABU-Ornithologe.
Des einen Freud, des anderen Leid: Für winterschlafende Säugetiere wie Igel wird es zwar erst problematisch, wenn länger anhaltende milde Phasen sich zu häufig mit Kälteeinbrüchen abwechseln. Allerdings verbrauchen sie für jedes Aufwachen aus dem Winterschlaf wichtige Energiereserven. Unter Umständen reichen die angelegten Fettreserven dann nicht mehr aus, um den Winter gut zu überstehen. „Am besten hilft man vorzeitig geweckten Igeln im Garten mit fleischhaltigem Futter und Wasser an einer trockenen geschützten Stelle. Ein tagaktiver Igel im Winter ist in Not! Man sollte ihn auf jeden Fall fangen, reinnehmen, wiegen, wärmen, beherbergen, füttern und dann fachkundige Hilfe suchen“, erklärt NABU-Igelexpertin Waltraud Hoyer.
„Eichhörnchen dagegen sind ganzjährig aktiv und müssen auch im Winter täglich Baumsamen fressen. Ihnen schaden eher Schlechtwetterphasen, die sie zwingen, bei Kälte, Wind und Schnee im warmen Kobel zu bleiben“, erklärt der NABU-Fachbeauftragte Bosch.
Für den Beginn der Amphibienwanderung ist nicht nur die Temperatur ausschlaggebend: „Für Frösche, Kröten und Molche ist das richtige Verhältnis von Tageslänge, Temperatur und Luftfeuchtigkeit das Startsignal zu Frühjahrswanderungen. Bleibt es konstant warm, ist jedoch ab Ende Januar mit den ersten Springfröschen zu rechnen“, so Bosch. Sind sie einmal losgelaufen, stellen plötzliche Kälteeinbrüche eine massive Gefahr dar. Wandernde Amphibien können sich nicht mehr rechtzeitig durch Eingraben vor der Kälte schützen und erfrieren.
Winterlinge und Krokusse schicken sonst im Februar die ersten bunten Frühjahrsgrüße. Doch mancherorts treiben sie jetzt schon aus. „Das frühe Austreiben kann dafür sorgen, dass der Blühzeitpunkt von Pflanzen nicht mehr mit dem Flugzeitpunkt von Insekten übereinstimmt“, sagt NABU-Gartenexpertin Aniela Arnold. Auch Wild- und Honigbienen, manche Hummel- und Schmetterlingsarten sind immer öfter bereits im Januar aktiv und drängen sich um das spärliche Blütenangebot. „Mit vielen verschiedenen heimischen Pflanzen im Garten oder auf dem Balkon, die zu unterschiedlichen Zeiten blühen, greifen wir den Insekten unter die Flügel“, rät Arnold.ps
Weitere Informationen:
Weitere Information finden Interessierte unter: www.nabu-bw.de
Autor:Jessica Bader aus Mannheim |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.