Die ehrenamtlichen Helfer der Vesperkirche
Von Lebenswelten, die sich begegnen
von Jessica Bader
Mannheim. Wenn sich während der Vesperkirchenzeit um 11 Uhr die Türen der CityKirche Konkordien öffnen, stehen zahlreiche Ehrenamtliche schon bereit, um ihre Gäste willkommen zu heißen. Die Schlange ist lang, die Tische schon innerhalb weniger Minuten besetzt.
In dieser Woche (KW 4) sind bereits 700 Essen ausgegeben worden. Das alles würde ohne die vielen ehrenamtlichen Helfer nicht funktionieren. Rund 600 Freiwillige haben sich in diesem Jahr gemeldet. Diese freiwilligen Helfer kommen „überall“ her, berichtet Pfarrerin Anne Ressel. „Es kommen Konfi-Gruppen, Schulgruppen, ganze Firmen mit Belegschaftsteilen, ganz viele Einzelpersonen, die zum Teil schon seit Jahren dabei sind, aber auch immer wieder Leute, die diese Möglichkeit gerade erst entdeckt haben.“ Begeistert erzählt sie, dass zum Teil auch ehemalige Gäste, deren Leben mittlerweile in stabileren Bahnen verläuft, als Helfer mit dabei sind.
Lebenswelten begegnen sich
Weiter oben, im Turm der CityKirche, werden im Akkord Brötchen geschmiert und Vesperbeutel gepackt. Die bekommen die Gäste mit auf den Heimweg. Es herrscht geschäftiges und routiniertes Treiben. Eine der Helferinnen ist bereits seit über 20 Jahren mit dabei. Was sie dazu motiviert, jedes Jahr wieder mitzuhelfen? „Es ist einfach schön, wenn man Menschen helfen kann“, sagt sie mit einem Strahlen im Gesicht. „Einige kommen auch nicht ausschließlich wegen des Essens, sondern freuen sich über Gesellschaft und ein offenes Ohr.“ Besonders berührt sie, Menschen wieder zu sehen, die im nächsten Jahr erneut in die Vesperkirche kommen.
Die jüngsten Helfer in der CityKirche sind an diesem Tag Schüler der zehnten Klassen der Johannes Kepler Schule. Der Kontakt beziehungsweise das Engagement der Schüler entstand durch eine besonders engagierte Lehrkraft. Die paar Tage mit vielen eindringlichen Begegnungen sind für sie eine prägende Erfahrung. Marcello ist heute zum allerersten Mal dabei und an der Getränke- und Essensausgabe beschäftigt. Sein erster Eindruck: „Am Anfang war ich mir unsicher, wie ich die Besucher ansprechen soll, aber das hat sich schnell gelegt.“
Karlheinz ist heute in der Spülküche eingeteilt. Ein Aufruf in der Zeitung hat ihn vor zwei Jahren auf die Vesperkirche aufmerksam gemacht. Besonders gerne bedient er die Gäste. „Da gibt es immer etwas zu tun und man kommt in Kontakt. Es ist irre, was die Menschen aus ihrem Leben erzählen.“
Die volle Bandbreite ist gegeben: Menschen, die von ihrem Leben auf der Straße berichten oder von persönlichen Schicksalsschlägen, die von Spielsucht betroffen sind und deshalb alles verloren haben und Personen, die einsam sind und sich über eine Tasse Kaffee und ein persönliches Gespräch freuen. Karlheinz erzählt, wie sehr es ihn berührt, wenn Besucher am letzten Vesperkirchen-Tag kommen, ihn umarmen und sich mit „Tschüss, bis zum nächsten Jahr!“ verabschieden. „Ein größeres Dankeschön gibt es eigentlich nicht.“
Das warme Essen als Türöffner
Die ärztliche Beratung und Versorgung ist ein wichtiges Angebot während der Vesperkirchenzeit. Auch die Ärzte und die Menschen aus dem Rettungsdienst machen dies ehrenamtlich. Martin Hinel und sein Sohn Dominik von den Johannitern sind an diesem Mittag vor Ort. Sie berichten davon, dass in den letzten Jahren vor allem alte Wunden von ihnen und ihren Kollegen versorgt wurden. Häufig werden diese dann regelmäßig neu verbunden und manchmal sieht man dadurch schon während der vierwöchigen Vesperkirchendauer eine deutliche Verbesserung. Viele, die die ärztliche Beratung aufsuchen, leben finanziell so am Limit, dass sie sich nicht trauen, einen (Haus-)Arzt aufzusuchen, in der Sorge, es könnten dadurch Kosten entstehen. „Auch das Gefühl, in ’normalen Institutionen’ nicht ernstgenommen zu werden, begleitet einige, die dann stattdessen lieber in die Vesperkirche kommen“, sagt Martin Hinel.
Das niederschwellige Angebot erreicht so auch diejenigen, die sich dem Thema ärztliche Versorgung gegenüber absolut hilflos fühlen. „Das warme Essen ist der Türöffner“, sagt Jessica Lammer, Pressesprecherin. Hierdurch entsteht Kontakt, ein Gespräch und weitere Angebote können gemacht werden. In diesem Jahr wurden innerhalb von 19 Tagen bereits 76 ärztliche Hilfeleistungen durchgeführt.
Die freiwilligen Helfer und Ehrenamtlichen sind das Herz der Vesperkirche. Das Team freut sich immer über neue Gesichter. „Eines unserer Anliegen ist es, dass sich die unterschiedlichen Lebenswelten begegnen und dementsprechend ist es schön, wenn immer wieder neue Leute diesen Austausch erfahren dürfen“, betont Anne Ressel. Wer im nächsten Jahr unterstützen möchte, findet unter www.vesperkirche-mannheim.de weitere Informationen.
Der Vesperkirchenchor feiert Jubiläum
2014 gründete sich der Vesperkirchenchor durch die Initiative der Musik-Studentin Susanne Uhl. Seitdem bilden die rund 20 Sänger des Vesperkirchenchors jeweils den krönenden Abschluss des Großprojekts für Bedürftige. In diesem Jahr feiert der Chor, der größtenteils aus Gästen der Vesperkirche besteht, sein zehnjähriges Jubiläum.
Zum Abschlusskonzert am Sonntag, 4. Februar, 14.15 Uhr, sind Interessierte in die Citykirche Konkordien eingeladen. Rahmenprogramm bildet die Abschlussandacht mit Dekan Ralph Hartmann unter dem Titel „Nicht vom Brot allein“. „Beim Vesperkirchenchor ist wirklich jeder willkommen“, sagt Musikerin und Chorleiterin Karoline Vogt. Die ausgebildete Posaunistin und Musikpädagogin lädt während der laufenden Vesperkirche immer wieder neue Gäste ein mitzumachen, ermutigt sie, denn der Chor sei wie eine kleine Bühne für verborgene Talente. Der Chor singt immer wieder bei verschiedenen Aktionen mit einem bunt gemischten Programm an Liedern aus Rock- und Pop oder auch aus dem Kirchenmusikbereich. Beim Abschlussgottesdienst der Mannheimer Vesperkirche stehen Hits wie „Image“ von John Lennon auf dem Programm. Interessierte sind eingeladen: Geprobt wird jeden Dienstag von 18 bis 19.30 Uhr im Raum der Evangelischen Studierenden Gemeinde in R3,3. [sic]
Weitere Informationen:
Spendenkonto: Evangelische Kirche Mannheim, Sparkasse Rhein Neckar Nord, IBAN: DE 44 6705 05 05 0039 0030 07, BIC: MANSDE66XXX, Stichwort: Vesperkirche
Autor:Jessica Bader aus Mannheim |
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