Apache 207: Der Komet
Musikredaktion powered by RPR1. Von David Banks und Lara Maria Bellemann
Musik. Betrachtet man die aktuelle deutschsprachige Musikszene, findet man sich schnell in den verschiedenen Genres wieder: Pop, Singer-Songwriter, Schlager oder Deutschrap - um nur die wichtigsten zu nennen. Mit klangvollen Namen wie Connor, Forster, Giesinger, Fischer, Sido und vielen anderen hat sich deutsche Musik in den vergangenen beiden Dekaden zu einem wichtigen Zweig der heimischen Musikindustrie gemausert.
Mehr oder weniger trennscharf sind dabei bisher die jeweiligen Protagonisten ihren entsprechenden Genres zugeordnet. Klar, gab und gibt es immer mal wieder Künstler, die genreübergreifende Songs releasen, da trifft auch mal ein Songwriter auf einen Rapper, Schlager klingt wie Pop und umgekehrt und man gibt sich möglichst kreativ und weltoffen. Und doch, im Kern werden die Genregrenzen nicht verlassen und wir wissen: Forster in kein Rapper, Connor macht Pop (oder doch Schlager?), Giesinger ist der Junge mit der Gitarre und Helene die Schlager-Queen.
Was aber, wenn ein junger Mann käme, der scheinbar im Alleingang die bisherigen musikalischen Stereotypen aufbräche?
Mit Sonnenbrille, langen Haaren, in die Hose gestecktem Tanktop und darüber einer Lederjacke. 105 definierten Kilogramm… ohne Kardio (!) und ab und an mal einem Kinderreim in den Texten!?
Auftritt Apache 207!
Wie ein Komet schlägt der Mannheimer Musiker 2019 mit seinem Überhit „Roller“ in die deutsche Musiklandschaft ein. Er gewinnt mit dem Song nicht nur zwei Jahre in Folge den Deutschen Musikautorenpreis der GEMA (als erster Künstler überhaupt) und wird Diamant zertifiziert (über eine Million verkaufte Einheiten). Quasi über Nacht spricht eine ganze Szene, ein ganzes Land über den Mann, der scheinbar spielerisch zwischen den musikalischen Stilen hin und her springt, ohne dabei seine Wurzeln im Deutschrap zu vergessen, oder ins Peinliche und den Kitsch abzurutschen.
Im Gegenteil. In einer Deutschrap Welt, in der es nur noch darum zu gehen scheint, wer die dicksten Autos, die hübschesten Mädels und die meiste Kohle hat und jeder Zweite den härtesten Gangster markiert, liefert Apache 207 den perfekten Gegenentwurf. Im Video zu Roller sieht man ihn mit seiner Gang trotz der üblichen „Staffage“ wie Alkohol, Party und leichtbekleideten Damen auf Motorrollern durch die Straßen reiten. Eine mehr als deutliche Persiflage auf den Rest der Szene.
Dass er als „Gangster, der ab und zu das Tanzbein schwingt“, tatsächlich mit seinen über 200 Zentimetern Körpergröße auf goldenen Rollschuhen durchs Video tanzt, passt da nur ins Bild. Generell sind Apaches Videos immer kreativ, bildmalerisch, oft augenzwinkernd.
Aber natürlich ist es vor allem seine Musik, die den Unterschied macht. Ob Dancehall oder Afro Riddims, 4-On-the-floor Disco-Beats, Deephouse Tunes, 80er Synthiesounds, oder Trap-Gewitter – musikalisch geht es auf Apache 207 Songs ein Mal queer durch den Gemüsegarten. Mit Produzenten wie Miksu & Macloud, Lucry & Suena oder Young Mesh und Juh-dee hat er dafür regelmäßig die Creme De La Creme der deutschen Beatbauer am Start.
Größtes Pfund ist aber mit Sicherheit seine Stimme. Stimmfarbe, Ausdrucksstärke und Vielseitigkeit suchen in der aktuellen Musikszene des Landes ihresgleichen. Ob Doubletime Rap oder luftiges Falsett - Apache 207 zeigt uns immer wieder etwas Neues, zwei oder auch drei Wechsel im Stil sind keine Seltenheit…innerhalb eines einzigen Songs.
Inhaltlich belässt es der Mannheimer, wie bereits erwähnt, nicht bei den genreüblichen Schwerpunktthemen, sondern lässt sich durchaus auch auf kluge, tiefere Texte ein, die nicht selten autobiografisch zu sein scheinen - scheinen, denn bis vor kurzem blieb dem Publikum dieser Einblick in die Person Volkan Yaman, so Apaches bürgerlicher Name, verwehrt. Interviews waren in den ersten zweieinhalb Jahren seiner Karriere Fehlanzeige, so blieben dem interessierten Beobachter, nichts außer Mutmaßungen. Seine Amazon-Prime Doku „Apache bleibt gleich“ - erschienen im Herbst 2022 - bringt ein wenig Licht ins Dunkel und erzählt vom Privatleben und der Lebensgeschichte des Künstlers. Sie zeichnet das Bild eines, trotz allen Fames, durchaus geerdeten jungen Musikers, der sich in kein Genre, keine Schublade einordnen lassen will.
Und Recht hat er: seine Musik als kreativ oder abwechslungsreich zu bezeichnen, ist beinahe eine Untertreibung. Sie strotzt nur so vor Experimentierfreude und Energie und ist das, was der deutschen Musikszene in den letzten Jahren gefehlt hat. Apache 207 schlägt Brücken zwischen den Genres und Generationen und scheut sich nicht, neue Wege zu gehen. Das dürfte spätestens die für wahrscheinlich jeden vollkommen unerwartete Kollabo mit niemand geringerem als der Legende Udo Lindenberg unter Beweis stellen. „Komet“, erschienen im Januar 2023, schlug ebenso ein und schoss aus dem Stand auf Position 2 der Single Charts. Damit ist der Song nicht nur der erste deutsche Hit des Jahres 2023, sondern bescherte Udo Lindenberg die bislang höchste Chartpositionierung seiner über 50-jährigen Karriere.
Apache 207, das generationenübergreifende Phänomen, wird sicher noch enormen Einfluss auf die deutsche Musiklandschaft haben. Er kam wie ein Komet und wird wie einer gehen. Bis dahin bleibt er vor allem eines: gleich!
Autor:Roland Kohls aus Ludwigshafen |
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