Radfahren ist gut für Klima und Fitness
Klima konkret: Mobilitätswende der „Klimaaktion Neustadt" - Interview mit Lars Nöcker von der AG Mobilitätswende
Neustadt.Die Stimmen nach einer Mobilitätswende im Zeichen des Klimaschutzes werden immer lauter, wie man nicht nur beim 13. globalen „Klimastreik“ am 15. September beobachten konnte. Maßgeblichen Anteil am Umdenkungsprozess in Richtung „Klimafreundliche Fortbewegung“ in Neustadt hat das Team „Mobilitätswende“, eine Arbeitsgruppe des 2021 gegründeten Vereins „Klimaaktion Neustadt“. Wir sprachen mit Lars Nöcker von der „Klimaaktion Neustadt“ über neue Konzepte, deren mögliche Umsetzung und die Reaktionen der Bevölkerung auf das Engagement der Neustadter Umweltaktivisten.
Von Markus Pacher
??? Klimafreundlich, sicher, entspannt und flott unterwegs in Neustadt – das wünscht sich das Team „Mobilitätswende“. Welches neue Verkehrskonzept brauchen wir dazu?
Lars Nöcker: Wir benötigen ein Gesamtkonzept, einen gesunden Mix, bei dem viele Verkehrsmittel eine Rolle spielen. Auch Autos haben ihre Berechtigung, sollten aber effizient eingesetzt werden. Viel Luft nach oben sehen wir zum Beispiel beim Thema „Care-Sharing“. Und natürlich in Sachen „Fahrrad“. In Neustadt gibt es ja unglaublich viele Räder und Pedelecs, ein Potenzial, das auch die Stadt Neustadt erkennt. Dennoch ist das Auto in Neustadt nach wie vor das Verkehrsmittel Nummer 1. Aufgrund ritualisierter und traditioneller Verhaltensmuster oder auch aus Bequemlichkeit oder Sorge um die eigene Sicherheit nutzen vergleichsweise wenige Mitbürgerinnen und Mitbürger regelmäßig im Alltag das Fahrrad.
??? Haben Sie selbst ein Auto?
Lars Nöcker: Ja, wir haben ein Auto, das aber fast ausschließlich von meiner Frau genutzt wird. Ich selbst bin entweder mit dem Fahrrad oder bei größeren Strecken mit dem Zug unterwegs. Meine beiden Kinder lasse ich auf dem Bürgersteig fahren. Für größere Aktionen verwende ich ein Lastenrad. Heute Morgen habe ich zum Beispiel damit eine Bierzeltgarnitur transportiert. Damit fällt man natürlich auf, das ist somit gleichzeitig eine gute Werbung für den Umstieg vom Auto aufs Fahrrad. Dass Radfahren Spaß macht und gut für das Klima und die eigene Fitness ist, versteht sich von selbst.
??? Auf wessen Initiative ging die Gründung des Vereins „Klimaaktion Neustadt“ und der Arbeitsgruppe „Mobilitätswende“?
Lars Nöcker: Der Verein ist ein von der älteren Generation initiierter Ableger der Neustadter Fridays for Future-Bewegung und wurde maßgeblich von Mirjam Alberti, Michael Boltz, Günther Scherer und Ursula Roth gegründet. Die Arbeitsgruppe Mobilität ist auf Anregung von Michael Boltz , unserem 2. Vorsitzenden, entstanden.
??? Welche Aktionen hat das Team „Mobilitätsende“ bisher durchgeführt?
Lars Nöcker: Unsere erste größere Veranstaltung war eine Podiumsdiskussion im Herbst 2021 in der Gimmeldinger Meerspinnhalle, zu der wie in Anwesenheit von Vertretern der Stadt und interessierten Bürgerinnen und Bürgern Verkehrsexperten und Wissenschaftler unter anderem aus Karlsruhe und Berlin eingeladen hatten. Außerdem sind wir regelmäßig mit Infoständen in der Innenstadt vertreten und haben im letzten Jahr in Neustadt unter anderem eine Umfrage zur Mobilität durchgeführt. Auch an der regelmäßig stattfindenden Fahrraddemo „Critical mass“ beteiligt sich die Klimaaktion im Verbund mit dem VCD und dem ADFC. Beim Mobilitätstag, zu dem die Stadt Neustadt im letzten Jahr auf den Marktplatz eingeladen hatte, waren wir neben dem VRN, dem E-Scooter-Anbieter ZEUS, dem MoD als Fahrdienst, verschiedenen Zweiradhändlern sowie den Stadtwerken natürlich auch vertreten.
??? Vor kurzem haben Sie an der Karl-Helfferich-Straße ihr Nord-Süd-Achse-Projekt vorgestellt. Um was genau geht es dabei?
Lars Nöcker: Die Durchquerung der Stadt mit dem Fahrrad von Nord nach Süd oder umgekehrt stellt ein großes verkehrstechnisches Problem mit Gefahrenpotenzial dar. Wir haben überlegt, wie wir dieses Problem lösen können und uns gefragt, was vor der Tür liegt. Dabei sind wir auf die Karl-Helfferich-Straße gestoßen. Sie ist groß und breit und führt schnurgerade vom Hauptbahnhof mit seinem starken Touristenaufkommen zur Maximilianstraße. Leider wird die Straße durch Autos an der Seite blockiert. Um die Radstruktur zu verbessern, müsste man also nach neuen Lösungen bezüglich der Parkplatzsituation suchen. Die Einrichtung eines Schutzstreifens würde uns nicht weiterbringen, denn dieser stellt erfahrungsgemäß eher eine Gefahr für uns Radfahrer dar.
??? Haben sie ihr Konzept schon der Stadtverwaltung vorgestellt?
Lars Nöcker: Wir haben unsere Vorschläge bereits Anfang des Jahres an die Stadt geschickt und dort für unsere Ideen geworben. Zwischenzeitlich hat das Team „Mobilitätsende“ in Kooperation mit dem VCD, dem ADFC und dem BUND eine entsprechende Arbeitsgruppe gebildet und nun auch die gemeinsamen Forderungen an den OB sowie dem Stadtrat übergeben.
??? Wie schneidet Neustadt in puncto „Fahrradfreundlichkeit“ im Vergleich zu anderen Städten ab?
Lars Nöcker: Laut Fahrradklimatest des ADFC ist Neustadt im hinteren Mittelfeld platziert. In Neustadt gibt es zwar zarte Pflänzchen von Bemühungen, aber aus verschiedenen Gründen geht es nicht richtig voran. Wir müssen künftig mehr Mut entwickeln, auch unangenehme Entscheidungen zu treffen. Immerhin hat die Stadt in ihrem Nachhaltigkeitskonzept beschlossen, bis 2030 eine grüne und autoarme Innenstadt zu schaffen. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die Stadt bei ihrer Ehre zu packen, damit den Worten Taten folgen und das Konzept zügig umgesetzt wird.
??? Welche Aktionen stehen demnächst auf dem Programm?
Lars Nöcker: Für November planen wir eine Veranstaltung zum Thema „Energie“. Und im Zuge der Kommunalwahlen im nächsten Jahr wollen wir das Thema „Stadt der Zukunft“ nach vorne schieben und mit verschiedenen Aktionen an die Öffentlichkeit gehen und Druck auf die Politik ausüben. Denn gerade das Thema Mobilität beschäftigt ja sehr viele Menschen.
??? In diesem Zusammenhang würde mich zum Abschluss unseres Gesprächs noch interessieren, wie das Engagement der Klimaaktion Neustadt von der Bevölkerung aufgenommen wird?
Lars Nöcker: Die Reaktion der Bürgerinnen und Bürger reichen von positiv bis negativ, von gutem Zuspruch bis zur Ablehnung. So gibt es Leute, die sich lustig über uns machen und unsere Aktionen ins Lächerliche ziehen. Aber der Großteil zeigt sich interessiert und aufgeschlossen. Nur tun sich die meisten Menschen schwer, etwas in ihrem Leben zu verändern. Auch wenn manche Dinge ganz deutlich ausgesprochen werden müssen, wollen wir keine Ängste schüren, sondern den Menschen Mut machen und positive Bilder entwickeln.
Klima konkret
Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind in aller Munde. Doch wo betrifft das konkret unsere Alltag? Was können wir tun, um bewusster zu leben und dabei gleichzeitig Ressourcen zu schonen? Und wie kann ein nachhaltiger Lebensstil begeistern, statt eine Last zu sein? Diese und weitere Fragen will die Wochenblatt-Serie Klima konkret beantworten. Alle zum Thema bereits veröffentlichten Beiträge finden Sie auch auf https://www.wochenblatt-reporter.de/tag/klima-konkret
Autor:Markus Pacher aus Neustadt/Weinstraße |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.