Interview mit Dirk Reichle von der KABS
"In einer Zeit des Insektensterbens haben wir es schwer"

Dirk Reichle, Wissenschaftlicher Direktor der KABS | Foto: privat
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Speyer. Fast genau ein Jahr ist es her, dass beide Hubschrauber der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) ausgefallen sind und vielen Menschen am Oberrhein eine Erinnerung an die Zeit vor 1976 beschert haben, als die KABS noch nicht flächendeckend mit dem biologischen Wirkstoff Bacillus thuringiensis israelensis (BTI) gegen die gemeine Stechmücke vorgegangen ist. Cornelia Bauer sprach mit Dirk Reichle, dem Wissenschaftlichen Direktor der KABS.

???: Sie haben seit Februar einen neuen Hubschrauber im Einsatz, alles okay damit?
Dirk Reichle: Unsere Hubschrauber sind einsatzfähig, allerdings auch so sauber wie noch nie. Sie stehen am Boden und warten auf Hochwasser. Die derzeitige Trockenheit schont das Material, aber auch unser Personal sitzt im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Trockenen.

???: Gegen die Waldmücken sind Sie bereits im April vorgegangen. Gab es Einschränkungen durch Corona?
Reichle: Keine Einschränkungen in Hinsicht auf die Bekämpfung der Waldmücke. Es sind keine Einsätze ausgefallen. Wenn wir Brutstellen kontrollieren oder Schnaken zu Fuß bekämpfen, arbeiten wir eh mit viel Abstand zueinander.  Problematischer ist da die Fahrt ins Gelände - da waren wir nur allein oder in Zweiergruppen unterwegs. Und natürlich die Arbeit im Hubschrauber sowie die Verladearbeiten im Vorfeld. Da sind Abstände von 1,50 Meter nicht zu machen, da sind wir eher bei 50 Zentimetern.  Wir haben versucht, am Landeplatz mit so wenig Leuten wie möglich zu arbeiten, haben ältere Mitarbeiter nicht eingesetzt und hatten dank einer vorausschauenden Materialbestellung im Januar noch eine große Menge FSP2-Masken auf Lager. Dieses Vorgehen hat sich bewährt: Mir ist kein Coronafall unter unseren Mitarbeitern bekannt geworden.

???: Wie viele Mitarbeiter haben Sie normalerweise im Einsatz?
Reichle: Es gibt rund 60 Gebietsleiter zwischen Breisach im Süden und Bingen im Norden. Dazu kommen Saisonkräfte, die uns im Frühjahr bei der Bekämpfung der Waldstechmücke und bei Hochwasser im Sommer bei der Bekämpfung der Rheinschnaken unterstützen. Im April waren das rund 100 Mitarbeiter, bei großen Hochwassern können das aber auch schon mal 200 bis 250 Mitarbeiter sein. Doch von solch einem größeren Einsatz  sind wir derzeit weit entfernt.

???: Es gibt immer mal wieder Kritik an der KABS. Hat der Ausfall der Hubschrauber und die anschließende Schnakenplage wieder für mehr Akzeptanz gesorgt?
Reichle: Das war einer der wenigen positiven Aspekte, dass wir seitdem in den besonders betroffenen Gebieten wieder mehr wertgeschätzt werden. Die Zeit zwischen dem ersten Juni-Wochenende und Ende Juli hat den Leuten deutlich gezeigt, dass wir einen guten Job machen. Wir haben in der Zeit in Fallen in Wohngebieten zwischen 1.000 und 2.000 Stechmücken pro Falle pro Nacht gezählt. Dabei war das nur ein normales mittleres Hochwasser, nichts Gigantisches, aber eben in Kombination mit großer Hitze. Wir haben versucht, noch so viel als möglich zu Fuß zu machen, aber ohne Hubschrauber kann man auf der riesigen Fläche wenig ausrichten. Wir hatten viele freiwillige Helfer, die Gemeindeverwaltungen, Bauhöfe und das THW haben uns ihre Hilfe angeboten, aber für Schutzgebiete gibt es Auflagen, an die wir uns halten müssen und gehalten haben.  Der vergangene Sommer hat gezeigt, dass die KABS nach wie vor gebraucht wird. Wenn wir die Schnaken nicht bekämpfen - immerhin mit erheblichem Aufwand und dem Geld der Kommunen - dann können die Rheinanlieger ihre Sommerabende nicht genießen. An der Dimension hat sich in all der Zeit nichts geändert. Wenn die Bekämpfung ausfällt, dann haben wir die Plage. 

???: Das sehen nicht alle so. Gegner der Bekämpfung führen zum Beispiel an, dass BTI auch gegen die nicht stechende Zuckmücke wirkt. Oder dass die Stechmücke eine wichtige Nahrungsquelle im Auwald sei.
Reichle: Wir sparen Massenbrutgebiete der Zuckmücken aus und bekämpfen nur temporär bei Hochwasser, um die Eingriffe in die Population dieser Nicht-Ziel-Organismen so gering wie möglich zu halten. Unser Vorgehen ist mit den Genehmigungsbehörden abgestimmt. Außerdem betreiben wir unser eigenes Monitoring in unbehandelten und in behandelten Gebieten. Auch in letzteren ist die Zuckmücke nach wie vor die dominante Insektengruppe. Wir wissen: Die Zuckmücke ist eine wichtige Nahrungsquelle - als Larve für wasserlebende Organismen, als Fluginsekt dann für Vögel und Fledermäuse. Wohingegen jeder wissenschaftliche Beweis  für die Stechmücke als wichtige Nahrungsquelle von Vögeln und Fledermäusen fehlt. Stechmücken bilden keine Schwärme. In Fledermauskot konnten in zahlreichen wissenschaftlichen Untersuchungen oftmals keine oder nur in einem sehr geringen Anteil von einem bis etwa fünf Prozent Stechmücken nachgewiesen werden. Die Diskussion wird sehr emotional geführt und es ist schwierig, mit Fakten zu argumentieren. Wenn die Stechmücken so eine wichtige Nahrungsquelle wären, dann müssten in trockenen Sommern ohne Hochwasser und ohne Stechmücken doch massenhaft Vögel und Fledermäuse verhungern oder die Populationen stark einbrechen. Das passiert aber nicht. Als Organisation, die zeitweise Insekten bekämpft, haben wir es in einer Zeit des Insektensterbens schwer mit unseren Argumenten.

???: Die KABS bekämpft die klassischen Wiesen- und Auwaldmücken. Was ist mit anderen Arten von Stechmücken? Und welche Rolle spielt die asiatische Tigermücke?
Reichle: Es gibt aktuell 52 Stechmücken-Arten in Deutschland, aber nur etwa acht hiervon sind bei der Bekämpfung von Relevanz, da sie für den Menschen als Lästlinge oder potentielle Vektoren überhaupt eine Rolle spiel. Was die Hausmücken angeht, so kann man die Belästigung durch sie sehr gut selbst eindämmen, indem man dafür sorgt, dass sie keine Brutstätten finden. Regentonnen sollte man abdecken, kein Wasser in Gießkannen, Eimern oder Blumenuntersetzern stehen lassen. Das Auftreten der asiatischen Tigermücke verdanken wir Globalisierung und Klimawandel. Die asiatische Tigermücke kam 1990 mit einem Altreifentransport aus den USA nach Genua. Im Mittelmeerraum hat sie sich massiv verbreitet, auch weil sie optimale Entwicklungsbedingungen vorgefunden hat. Die Eier können aufgrund ihrer Trockenresistenz über weite Distanzen transportiert werden, sobald sie dann mit Wasser in Kontakt kommen, schlüpfen die Larven. In Deutschland konnte man bislang einen massive Ausbreitung noch unterbinden. Es gibt einzelne Hotspots, aber zum Glück verbreitet sich die asiatische Tigermücke eher passiv.

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Cornelia Bauer aus Speyer

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