Interview mit Thomas Jakubowski
„Inklusion bedeutet Teilhabe und Teilgabe“

Pfarrer Thomas Jakubowski ist Beauftragter für Behindertenseelsorge der Evangelischen Kirche der Pfalz | Foto:  lk/Klaus Venus
  • Pfarrer Thomas Jakubowski ist Beauftragter für Behindertenseelsorge der Evangelischen Kirche der Pfalz
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Speyer. Am 5. Mai ist Europäischer Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Wie steht es mit der Gleichstellung? Das erklärt Pfarrer Thomas Jakubowski, Beauftragter für Behindertenseelsorge der Evangelischen Kirche der Pfalz. Er nennt die wichtigsten Voraussetzungen für ein Miteinander und erläutert, warum Menschen mit Behinderung aktiv protestieren sollen.

???: Wie weit sind Gesellschaft und Kirche bei der Gleichstellung von Menschen mit Behinderung vorangekommen?
Thomas Jakubowski: In der rechtlichen Gleichstellung gibt es noch viele Hürden, aber wir sind auf einem guten Weg. Durch das Bundesteilhabegesetz und die UN-Behindertenrechtskonvention hat sich viel getan. Der Begriff Behinderung wird nun weit gefasst.
Als behindert gelten Menschen, die Schwierigkeiten im Alltag haben - aus welchen Gründen auch immer. Genau genommen sind sie nicht behindert, sondern sie werden behindert am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Weichen für Inklusion sind gestellt. Jetzt gilt es, die finanziellen und strukturellen Ressourcen bereitzustellen.

???: Wie reagiert Kirche darauf?
Jakubowski: Natürlich gelten die Gesetze auch für die Kirche. Aber die gesetzlichen Vorgaben sind letztlich Mittel zum Zweck. Menschen mit Behinderung müssen in Gesellschaft und Kirche dabei sein. Das muss selbstverständlich werden. Dafür brauchen wir ein Verständnis und eine bestimmte Haltung. Wir müssen einander wahrnehmen und sehen, welche Bedürfnisse einzelne haben. Diese Haltung muss in die Kultur der Gesellschaft und Kirche vorangebracht werden. So hat sich die Landeskirche schon 2009 selbst verpflichtet, kirchliche Einrichtungen und Angebote barrierefrei zu gestalten. Das betrifft nicht nur die bauliche Barrierefreiheit, um Orte zu erreichen, sondern auch Barrierefreiheit beim Sehen, Hören und Verstehen.

???: Was bedeutet das praktisch?
Jakubowski: Für Kirchengemeinden heißt es, das Leben so zu organisieren, dass alle dabei sind. Sie sollen für alle offen sein. Aber auch Menschen mit Beeinträchtigung haben die Aufgabe, ihre Ansprüche laut und deutlich zu formulieren. Dazu gibt der Protesttag Anlass. Inklusion bedeutet Teilhabe und Teilgabe, nicht nur stille Teilnahme. Es geht nicht nur ums Dabeisein, sondern ein aktiver Teil der Gemeinschaft zu sein.

???: Wie kann man das praktisch umsetzen?
Jakubowski: Wir müssen die Menschen fragen, was sie brauchen – und vor allem jene, die wegen Hindernissen nicht in die Kirche kommen. Es ist nicht immer einfach, Barrierefreiheit zu schaffen. Zum Beispiel sind barrierefreie Zugänge wegen des Denkmalschutzes oft nicht möglich. Wenn eine Kirche nicht barrierefrei ist, ist es vielleicht das Gemeindezentrum. Dort können auch Gottesdienste gefeiert werden.

???: Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Gleichstellung ausgewirkt?
Jakubowski: Es sind neue barrierefreie Angebote entstanden. Zum Beispiel haben wir mit Video-Gottesdiensten Menschen erreicht, für die der Weg in die Kirche zu beschwerlich ist. Natürlich bedeutet die Technik eine neue Hürde. Andererseits ist in einem gut gemachten Video-Gottesdienst die Sprache besser zu hören und zu verstehen, die Akteure sind besser zu sehen. Es ist wichtig, dass wir das weiterführen, was wir an Neuem gelernt haben. Es ergänzt das bestehende Angebot.

???: Wie wird der Protesttag dieses Jahr begangen?
Jakubowski: Der Protesttag hat in der Pfalz eine lange Tradition mit besonderen Aktionen. Katholische und protestantische Kirche, Caritas und Diakonie arbeiten eng zusammen. Dieses Jahr organisiert das Bistum rund um den Protesttag eine „Woche der Inklusion“, an der sich auch die Landeskirche beteiligt. Beim Eröffnungsgottesdienst weise ich auf das Sozialrechtlich-Politische hin und stelle den Orientierungsrahmen der Evangelischen Kirche Deutschlands vor, der gerade erarbeitet wurde. Und wir machen den Anspruch der Kirche deutlich: Nach christlichem Verständnis sollen wir ein Miteinander ermöglichen und leben – gemäß dem Bibelwort „Nehmt einander an, wie auch Christus dich angenommen hat zu Ehre Gottes“.

Weitere Informationen

Ökumenischer Gottesdienst zur Eröffnung der Woche der Inklusion:
Sonntag, 1. Mai, 16 bis 17 Uhr, Dom zu Speyer

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Autor:

Cornelia Bauer aus Speyer

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