Speyer war einst Sitz des höchsten Gerichts
“Reichsjammergericht“ oder Kleinod der Verfassung?
Speyer. Was haben Speyer und Karlsruhe gemeinsam? In beiden Städten waren und sind die höchsten Gerichte des Landes beheimatet. Was Karlsruhe mit dem Bundesgerichtshof für die Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland seit der Mitte des 20. Jahrhunderts ist, war Speyer mit dem Reichskammergericht für die Rechtsprechung im Heiligen Römischen Reich im 16. und 17. Jahrhundert.
Unter dem Titel „'Reichsjammergericht' oder Kleinod der deutschen Verfassung?" beleuchtet Dr. Stefan Andreas Stodolkowitz das Reichskammergericht „im Spiegel der (rechts-)historischen Forschung“. Der Vortrag im Landesbibliothekszentrum / Pfälzische Landesbibliothek (LBZ) findet am Mittwoch, 3. November, um 19 Uhr statt.
Speyer war im 16. und 17. Jahrhundert ein bedeutendes Zentrum der Rechtsprechung: Von 1495 bis 1806 stellte das Reichskammergericht neben dem etwas später entstandenen Reichshofrat die höchste rechtliche Instanz im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation dar. Bereits 1513 und 1514 und dann dauerhaft von 1527 bis 1689 war das Reichskammergericht in Speyer beheimatet. Nachdem die Franzosen die Stadt 1689 verwüstet hatten, zog das Gericht nach Wetzlar.
Lange Zeit galt das Reichskammergericht vor allem aus der Perspektive kleindeutsch-nationalstaatlicher Publizisten, die ein Reich ohne die Habsburger in Wien wollten, als schwerfällig und durchsetzungsschwach: Spottreden über das „Reichsjammergericht“ kursierten schon im 18. Jahrhundert. Demgegenüber haben vielfältige neue Forschungsansätze in den letzten 50 Jahren ein weitaus differenzierteres Bild dieses Gerichtes und seiner Richterschaft gezeichnet.
Besonders die umfangreiche Erschließung von rund 70.000 bis heute erhaltener Prozessakten hat neue Erkenntnisse über die gerichtliche Praxis in Speyer und Wetzlar, sowie die Bedeutung des Gerichts für Rechtsleben, Gesellschaft und Verfassungswirklichkeit des Alten Reichs zutage gefördert.
Referent Dr. Stefan Andreas Stodolkowitz ist Richter am Landgericht Lüneburg und derzeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Bundesgerichtshof in Karlsruhe abgeordnet. Er wurde mit seiner Arbeit über das Oberappellationsgericht Celle im 18. Jahrhundert promoviert und forscht zur Justizgeschichte der Frühen Neuzeit. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung per E-Mail an info.plb@lbz-rlp.de oder telefonisch unter 06232 9006-224 wird erbeten. Es gilt die 3G-Regel.
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