Internationaler Orgelzyklus mit Andreas Jetter
Fenster in eine andere Sphäre
Speyer. Ein einziges Werk steht auf dem Programm des nächsten Konzerts, das der Internationale Orgelzyklus im Dom zu Speyer präsentiert: Die Symphonie Nr. 1 in E-Dur von Hans Rott. Der Schweizer Organist Andreas Jetter bietet eine Orgelfassung des mit zahlreichen Besonderheiten gekennzeichneten Werkes am Samstag, 10. September, 19.30 Uhr, auf der Orgelanlage im Dom dar.
Dem 1858 in Wien geborenen österreichischen Komponisten und Organisten Hans Rott war kein friedliches Leben beschieden. Der erste Satz seiner Symphonie, den er 1878 bei einem Kompositionswettbewerb am Wiener Konservatorium einreichte, blieb ohne Auszeichnung. Johannes Brahms, der in der Prüfungskommission saß, soll sich über Rotts Erstling vernichtend geäußert haben. Gleichwohl absolvierte der angehende Komponist die Ausbildung mit Erfolg; Anton Bruckner soll große Stücke auf ihn gehalten haben.
Dennoch konnte sich Hans Rott nicht als Musiker etablieren. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich als Organist. Ein staatliches Stipendium wurde ihm verwehrt. Die Lebensumstände wurden immer schwieriger. Wien musste er verlassen, um eine Stelle als Chorleiter im elsässischen Mülhausen anzutreten. Im Zug dorthin soll es zur Katastrophe gekommen sein: Rott bedrohte einen Mitreisenden mit dem Revolver, als dieser sich eine Zigarre anzünden wollte, da er befürchtete, dass Brahms persönlich den Zug mit Dynamit habe beladen lassen. Rott kam in eine Psychiatrische Klinik und schließlich in die Niederösterreichische Landes-Irrenanstalt, wo er 1884 im Alter von erst 25 Jahren starb.
Wenige Tage vor seinem Tod wurde ihm doch noch das zunächst verweigerte Stipendium gewährt. Die Tragik dieser Lebensumstände kontrastieren in eigenartiger Weise mit der Bedeutung, die der ersten Symphonie Hans Rotts zugesprochen wird, beispielsweise durch Gustav Mahler, der dem jungen Komponisten bescheinigte, Erfinder einer neuen Symphonie zu sein, „wie ich sie verstehe“. Hatte Rott die Vernichtung all seiner Werke verfügt, so bildete die Symphonie in E-Dur die einzige Ausnahme. Die Uraufführung 100 Jahre später in Amerika soll eine Sensation gewesen sein.
Das opulente Werk ist von Mahlerschen Ausmaßen geprägt; der Pianist und Organist Andreas Jetter hat die rund 300 Partitur-Seiten für Orgel bearbeitet. Er sagt dazu: „Auf mich persönlich wirkt das Werk, das mit seinen vier Sätzen eine Spielzeit von knapp siebzig Minuten hat, immer wieder visionär, wie eine Art Fenster in eine andere Sphäre, eine Botschaft, die Rott in seinem kurzen Leben unbedingt in Töne geschrieben wissen wollte.“
Andreas Jetter ist seit 2010 Dommusikdirektor im schweizerischen Chur, wo er für die Chorarbeit und Orgelmusik an der Bischofskirche verantwortlich zeichnet. 2013 wurde er zusätzlich als Kantor ans Münster Unserer Lieben Frau in Radolfzell berufen. Vor dem Orgelkonzert beginnt um 18.45 Uhr eine Einführung („Praeludium“) mit Andreas Jetter auf dem Königschor. Tickets gibt es im Vorverkauf bei der Dom-Info auf der Südseite der Kathedrale.
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