„Die Krise ist wahrscheinlich der beste Moment, die Frage nach der Vision zu stellen“
Felix Goldinger berichtet über die Vorbereitung eines Visionsprozesses

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„Die Krise ist wahrscheinlich der beste Moment, die Frage nach der Vision zu stellen“

Felix Goldinger berichtet über die Vorbereitung eines Visionsprozesses des Bistums Speyer, der am Diözesan-Katholikentag am 15. September offiziell gestartet wird

Speyer. Beim Diözesan-Katholikentag am 15. September soll offiziell ein Visionsprozess gestartet werden. Viele erwarten diesen Tag mit Spannung, besonders Felix Goldinger. Er ist Referent für missionarische Pastoral im Bistum Speyer und seit April mit der Geschäftsführung für den Visionsprozess beauftragt.

Herr Goldinger, warum ist es im Leben wichtig, Visionen zu haben?

Eine Vision ist aus meiner Sicht das Bild einer guten Zukunft. Es lässt mich ahnen, wohin sich mein Leben entwickelt und was mich stärkt. Eine Vision ist das Ziel einer Sehnsucht, auf die ich mich zubewege. Sie gibt mir Kraft im Alltag und führt mich durch die Höhen und Tiefen des Lebens.

„Vision“ klingt erstmal fremd. Aus christlicher Perspektiven sind Visionen aber etwas ganz natürliches. Wir Christinnen und Christen sind Visionäre. Denn wir haben eine Idee davon, wie die Welt eine friedliche und gute sein kann. Wir nennen das „Reich Gottes“.

Wozu braucht das Bistum Speyer heute eine Vision?

Das Bistum Speyer braucht keine neue Vision. Es hat schon einen Auftrag. Denn jeder, der sich mit dem Bistum verbunden fühlt, hat eine Idee davon, warum es gut sich, sich dafür einzusetzen. Wichtig ist jetzt, dass wir das miteinander machen. Wir wollen gemeinsam fragen, warum es sich lohnt, in der Kirche zu bleiben - auch wenn nicht alles gut ist - in dem Bewusstsein: Zusammen wollen wir Kirche besser machen. Wir haben ein gemeinsames Ziel, das uns Kraft gibt.

Der Moment, in dem wir nach dieser Vision fragen, ist einerseits sehr schwierig. Denn uns kauft gerade niemand ab, dass wir als Kirche für das Gute stehen und für einen liebenden Gott. Gleichzeitig ist das wahrscheinlich der beste Moment, diese Frage zu stellen: Kirche muss sich jetzt neu definieren. Ich bin überzeugt: Sie wird sich sehr verändern. Ich will dazu beitragen, dass es eine Veränderung hin zum Guten wird.

Das kann gelingen, wenn es mehr Austauschmöglichkeiten zwischen den Ebenen gibt, wenn Hierarchien flacher werden, wenn uns Kommunikation ein wichtiges Anliegen ist. Wer eine gute Idee hat, soll Möglichkeiten haben, sie umzusetzen. Auf das „gemeinsam“ kommt es an. Das lese ich aus der Bibel: Gott ist da, wo wir uns auf Augenhöhe miteinander austauschen können und wo eine Atmosphäre des Wohlwollens herrscht.

Sie sagen einerseits „Die Vision ist schon da“ und andererseits „Wir wollen sie erarbeiten“. Wie passt das zusammen?

Die Vision, die uns schon längst geschenkt wurde, ist sprichwörtlich eine Frohe Botschaft: Gott will, dass es allen Menschen gut geht. Wir als Kirche haben den Auftrag, uns dafür einzusetzen. Wo das nicht so ist, verfehlen wir eindeutig unser Ziel und unsere Vision.

Und diese Frohe Botschaft muss im Jahr 2019 neu entdeckt werden. Was heißt sie hier in der Pfalz und der Saarpfalz, in unseren Orten und Gemeinden? Wie leben wir, was uns da geschenkt worden ist? Es geht darum, die Frohe Botschaft mit dem eigenen Leben zu verknüpfen. Dann wird aus der großartigen Vision der Bibel eine, die uns stark macht.

Was ist diese Vision: Ein Satz, ein Text, ein Bild, eine Erfahrung?

Manche im Bistum haben die Befürchtung, wir schreiben ein neues Dokument. Ich kann beruhigen: Es wird ganz sicher keine mehrseitigen Dokumente geben, die eine Arbeitshilfe erforderlich machen und noch mehr Papier. Es geht nicht um einen Satz oder einen Text, sondern um ein Einüben, wie wir uns gegenseitig davon erzählen, was unsere Zukunftsvisionen sind. Wir wollen Möglichkeiten schaffen, dass Menschen sich mit ihren Lebensgeschichten und Erfahrungen begegnen können und die Begegnung selbst zu einer guten Erfahrung wird. Wir wollen ermöglichen, sich ein bisschen „wie im Paradies“ zu fühlen und diese Erfahrung dann wieder mit anderen zu teilen.

Wie soll das genau aussehen?

Beim Katholikentag auf dem Gelände der Landesgartenschau in Kaiserslautern am 15. September werden wir am Nachmittag eine Einladung aussprechen: Kommt mit uns und untereinander ins Gespräch. Lasst es euch dabei gut gehen, damit ihr zuhause frohe Botschaften erzählen könnt.

Klar ist bereits, dass wir im kommenden Jahr an vier bis fünf Orten in unserem Bistum Frauen und Männer, Erwachsenen, Kinder und Jugendliche willkommen heißen. Gleichzeitig soll es die Möglichkeit geben, in der eigenen Pfarrei oder Gemeinde, im Verband oder in der Gruppe, in der man sich zuhause fühlt, miteinander ins Gespräch kommen. Außerdem werden wir ein digitales Format anbieten für Menschen, die gern online unterwegs sind und auf diese Weise partizipieren wollen. Das soll in den kommenden zwei Jahren passieren.

Und was kommt dann? Ist mit der Vision dann Kirche im Bistum Speyer neu erfunden?

Nein, denn diese Vision ist nicht in Stein gemeißelt, sondern wir werden uns weiter fragen „Passt sie noch?“ und wir werden sie immer wieder aktualisieren müssen. Die Suche nach einer gemeinsamen Vision ist nichts, das wir einmal machen, um uns dann für immer darauf auszuruhen, sondern sie soll das Bistum immer daran erinnern, danach zu fragen, wozu wir da sind.

Klingt nach zwei herausfordernden Jahren, die vor dem Bistum und auch vor Ihnen liegen...

Ich finde, wir haben da etwas sehr Schönes vor. Die nächsten zwei Jahre geben uns die Chance, herauszufinden wie wir Kirche besser machen. Wie Menschen bei uns finden, was sie für ihr Leben brauchen. Wie wir selbst Gott in Kontexten finden, wo wir vorher gar nicht gesucht haben.

Wer Fragen und Anregungen zum Visionsprozess des Bistums Speyer hat, ist schon jetzt herzlich eingeladen, mit Felix Goldinger Kontakt aufzunehmen.

Kontakt:

Felix Goldinger
Bistum Speyer / Missionarische Pastoral
Telefon 06232 / 102-286
E-Mail: felix.goldinger@bistum-speyer.de
ps

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Autor:

Markus Hild aus Speyer

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