Streit um Sicherheit bei Festen erreicht Landtag
Gründe für Kostenexplosionen: Umsetzungsprobleme oder zu strikte Regeln?
Von Julia Glöckner
Rheinland-Pfalz. Die Fastnachtsverbände laufen seit Monaten Sturm. Viele Umzüge im Land, vor allem in der Vorderpfalz, wurden wegen zu hoher Kosten für die Sicherheit bereits abgesagt. Die Fasnachter schreiben die steigenden Kosten den neuen Sicherheitsregeln im Polizei- und Ordnungsgesetz zu.
Hintergrund ist, dass der neue Paragraf 26 den Genehmigungsprozess für Feste durch die Kommunen bis ins Detail regelt. Diese können demnach besser auf die Sicherheitsmaßnahmen des Veranstalters einwirken – so etwa weitere Maßnahmen einfordern, wenn sie die geplanten für nicht ausreichend halten. Zudem können die Kommunen ein Sicherheitskonzept auch für kleine Festen unter 5.000 Besuchern einfordern, das bei mittelgroßen bis großen über 5.000 Pflicht ist. In der Praxis geschah genau das in den letzten Monaten vielerorts. Während bislang die Fasnachtsvereine solche Sicherheitskonzepte lieferten, können die Kommunen nun eins von einer Fachfirma verlangen, was häufig mit Kosten von tausenden von Euro verbunden ist. Der größere Einfluss der Gemeinden führt zugleich auch zu einer uneinheitlichen Anwendung der neuen Regeln in der Praxis.
Nur einige wenige konkrete Maßnahmen schreibt der neue Paragraf fest: Während bislang ehrenamtliche Ordner die Umzüge beaufsichtigten, muss ein Großteil der Ordner nun von einem Security-Dienst kommen. Hinzu kommen auch die notwendigen Absperrungen bei vielen Seitenstraßen hin zum Festplatz. Dafür sind heute Terrorabwehrpoller üblich. Vielerorts verdreifachten sich die Kosten. So liegen die Sicherheitskosten für den Mainzer Umzug bei 180.000 Euro, die Stadt trägt davon 75.000 Euro.
Der größere Einfluss der Gemeinden bei der Handhabe führte aber zugleich auch zu einer uneinheitlichen Anwendung der neuen Regeln in der Praxis – je nach Sicherheitsauffassung, wie Dirk Herber (CDU) bereits bei einer Pressekonferenz der CDU-Fraktionsspitze Mitte Januar bemängelte.
Nur einige wenige konkrete Maßnahmen schreibt der neue Paragraf fest: Während bislang ehrenamtliche Ordner die Umzüge beaufsichtigten, muss ein Großteil der Ordner nun von einem Security-Dienst kommen – in der Regel auch bei Kleinevents. Hinzu kommen auch die notwendigen Absperrungen bei vielen Seitenstraßen hin zum Festplatz. Dafür sind inzwischen Terrorabwehrpoller üblich.
CDU-Fraktionschef Christian Baldauf kritisierte im Parlament die neuen Regeln im POG: „Zu viel Bürokratie, zu hohe Auflagen, gestiegene Kosten für deren Umsetzung und für Sicherheitskonzepte – Herr Minister Ebling, das schaffen unsere Vereine nicht mehr.“ Verwaltungen und Vereine seien verunsichert, ja überfordert, mit dem, was sie anwenden sollten: Straßensperren, Entfluchtungsplan, Risikobewertung für verschiedene Einsatzlagen. Hier müsse nachgesteuert werden.
„Das POG kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass Veranstaltungen und Umzüge abgesagt werden“, erklärte SPD-Fraktionsvorsitzende Sabine Bätzing-Lichtenthäler. Die Gründe für die Absagen seien vielfältig: Nachwuchssorgen, zu wenige Helfer, der schwierige Kaltstart nach Corona, zu wenig Sponsoren. „Es steht außer Frage, dass es vielen Kommunen und Vereinen gelingt, sichere und tolle Fasnachtsumzüge zu organisieren.“ Im Land seien es über 100. Die Kommunen seien weiterhin gefordert, mit den Veranstaltern Lösungen zu finden.
FDP-Fraktionschef Philipp Fernis sagte, dass es falsch sei, „ein Problem, das in der kommunalen Rechtsauslegung liegt, zu einem Problem des Landes zu machen.“
CDU und AfD forderten eine Neuauflage des Gesetzes. Baldauf äußerte, dass die Durchführung von Festen nicht durch zu hohe Auflagen unmöglich gemacht werden dürfe. Innenminister Ebling (SPD) wandte ein, dass er angesichts der Zahl der Ordner beim letzten Umzug in Frankenthal – zwei Ordner bei 20.000 Besuchern – froh sei, dass eine Sensibilisierung beim Thema Sicherheit stattgefunden habe. Anlass für ein Umdenken waren Ereignisse wie die Loveparade in Duisburg 2010 und das Attentat beim Umzug im hessischen Volksmarsen 2020, wie die SPD betonte.
Der Innenminister hat inzwischen Gespräche mit den Karnevalsverbänden aufgenommen. Sie zielen auf die Lösung der Umsetzungsprobleme beim POG sowie auf die Entlastung des Ehrenamts, ohne beim Thema Sicherheit Abstriche machen zu müssen. Erst am Montag, 23. Januar, einigte sich Ebling mit den Karnevalsverbänden auf Schulungen für die Ehrenamtler bei der Ausarbeitung von Maßnahmen auf Grundlage des POG. Auch mit den Gemeinden wird Ebling in Gespräche gehen, um die Regeln zu vereinfachen und Best Practice Beispiele zu liefern, die künftig allen bei der Umsetzung helfen. Die Kommunen sollen so ein vertretbares, aber notwendiges Augenmaß bei der Festplanung mit Blick auf Gefahrenlagen entwickeln. Dies soll zugleich die unterschiedliche Praxis der Kommunen ausschießen.
Bei Bedarf würden die Regeln und Richtlinien für die Praxis im POG überarbeitet, räumte der Minister bei einer Pressekonferenz im Ministerium nach dem Gespräch mit den Fasnachtern ein. Sie seien nicht in Stein gemeißelt.
„Weil viele Feste und Umzüge unter dem POG möglich sind, ist es der richtige Weg, den Gemeinden die Rechtslage zu erklären und Best Practice in anderen Gemeinden zu übernehmen“, sagte Fernis (FDP) in der Parlamentsdebatte.
Die Oppositionsparteien warfen der Regierung angesichts der POG-Neuauflage weiterhin fehlende Verantwortung gegenüber dem Brauchtum vor. Ferner kritisierten sie die Veranstalterhaftung im Schadensfall. Die sei eine weitere Hürde für feiernde Vereine. Die CDU forderte einen Schutzschirm in Form einer Versicherung für die Veranstalter, um im Schadensfall für hohe Schadensforderungen von Opfern aufkommen zu können. Vorschlag der Freien Wähler und der CDU war zudem die Beteiligung des Lands an den Sicherheitskosten.
„Der Veranstalter war schon immer für die Sicherheit der Veranstaltungen verantwortlich, und zwar bundesweit. Dies sei keine Novellierung im neuen POG“, wandte Bätzing-Lichtenthäler ein.
Die neuen Regeln würden Verantwortliche vor leichtsinniger Planung und damit vor der Haftung schützen, sagte Ebling nach den Gesprächen mit den Karnevalsverbänden. Zuschüsse vom Land schloss Ebling aus. Der Schutzauftrag des Staats sei durch hunderte bis tausende Polizeikräfte bei Umzügen bereits erfüllt.
Ob die geplanten Hilfen für Kommunen und Vereine bei der Handhabe der neuen Regeln reichen, um die Umzüge wieder bezahlbar zu machen, muss sich zeigen. Eine Überarbeitung der neuen Richtlinien hat der Minister bereits eingeräumt, wenn sich der Bedarf dafür erweist. jg
Autor:Julia Glöckner aus Ludwigshafen |
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