Grenzüberschreitende Geschichte erleben
48 Stunden in Montbéliard/Mömpelgard
Reise-Tipp. Elsass und Württemberg: Auf den ersten Blick gibt es nicht viele Gemeinsamkeiten; immerhin liegt noch Baden dazwischen! Doch die beiden Länder blicken auf eine 700-jährige deutsch-französische Geschichte! Die Kombination Grafschaft Württemberg-Mömpelgard springt in der Tat nicht auf den ersten Blick ins Auge, doch feiern Württemberg und das Elsass 2024 ein besonderes Jubiläum. Das Datum passt, denn das "Pays de Montbéliard", die Region um Montbéliard (rund 100 Kilometer westlich von Freiburg), ist aktuell Frankreichs „Kulturhauptstadt des Jahres 2024“.
Montbéliard war früher mal württembergisch
Es ist eine lange und recht eng verflochtene Vergangenheit: Vor 700 Jahren bekam Graf Ulrich III. von Württemberg die Grafschaft Horburg und die Herrschaft Reichenweier. Zwischen den Besitztümern des Hauses Württemberg, links und rechts des Rheins, entwickelte sich daraufhin ein intensiver Austausch, dessen Spuren sich auch in der Geschichte verschiedener Monumente widerspiegeln (Infos: https://www.paysdemontbeliard-tourisme.com/decibelles). Das südwestlich von Belfort liegende Montbéliard (früher „Mömpelgard“) wurde im Jahr 985 übrigens erstmals urkundlich erwähnt.
Montbéliard heute
Montbéliard, gelegen im französischen Departement Doubs, rund 100 Kilometer westlich von Freiburg, einen schönen Ausflug mit etwa 220 Kilometer von Karlsruhe entfernt, wird überragt von seinem Schloss - früher Residenz, dann Kaserne, Krankenhaus und heute Museum mit gutem Ausblick -, dem „Château des Ducs de Wurtemberg“, im Herzen der Stadt. Der Ort ist geprägt von der langen württembergischen Zeit, auch heute noch an vielen Details in der Stadt sichtbar.
Strategisch gelegen auf einem Felsen oberhalb des Zusammenflusses von Lizaine und Allan ist die Burg, drumherum entwickelte sich das Städtchen. Wenn auch von der historischen Residenz nur noch Tour Henriette und Tour Frédéric erhalten sind. Eine erste Erwähnung des Ortes gab es schon 985; es wird von „Mons Biliardi“ geschrieben, ein schon damals befestigter Ort. Die Besonderheit des Ortes kommt auch in der Reformation zum Ausdruck, als Montbéliard eine lutherische Enklave inmitten der katholischen Umgebung Frankreichs war.
Es bietet sich an, für einen Aufenthalt zentral in Montbéliard Quartier zu beziehen. Die Auswahl an Hotels groß, das ein oder andere hat dazu auch noch Geschichte, wie das "Hôtel La Balance" in einem Gebäude aus dem 16. Jahrhundert, das einen auch vom Interieur eintauchen lässt in Geschichte. Immerhin hat hier auch schon der "Befreier der Stadt" Ende 1944 übernachtet, Jean de Lattre de Tassigny, der ehemalige Kommandeur der französischen Streitkräfte.
Montbéliard ist im Zentrum eine Stadt der kurzen Wege. Das rund 25.000 Einwohner große Städtchen, noch heute mittelalterlich geprägt, bietet im erlebenswerten Kern viel Sehenswertes – ob alte farbenfrohe Häuser, teilweise mit Treppentürmen, viel Blumenschmuck, Fachwerk, nette Geschäfte, das Geschichtsmuseum im Hôtel Beurnier-Rossel (Link: https://www.museumspass.com/de/search-results?s=montbeliard) aus dem 18. Jahrhundert, originelle Cafés und natürlich auch die protestantische Kirche St. Martin aus dem 16. Jahrhundert mit Wandmalereien von Heinrich Schickhardt. Es lohnt sich, hier einen gemütlichen Stadtrundgang auf den Spuren von Schickhardt und seinem Zeitalter zu unternehmen. Es ist eine nur drei Kilometer lange Runde durch die Innenstadt von Montbéliard, vorbei an Gebäuden des Architekten des Herzogs von Württemberg, die einen eintauchen lassen in die Zeit.
Dazu gibt’s in der Nähe das römische Theater von Mandeure, das mit rund 18.000 Plätzen in der Antike zu den größten in Gallien gehörte, die Festung Fort du Mont-Bart (mit tollem Ausblick) und den „Industrie-Vorort“ Sochaux, den man durch die Automarke „Peugeot“, die Zulieferbetriebe und den örtlichen Fußballverein sicherlich besser kennt. Immerhin war der FC Sochaux, eigentlich der Werksverein der Automarke, zweifacher Meister und Pokalsieger, langjähriger Erstligist, spielt aber aktuell im "Championnat National", der 3. Liga.
Ob erste Modelle, Rennwagen, Elektrofahrzeuge oder visionäre Mobile: Sehenswert ist das Museum der Marke auf alle Fälle, denn etwas überraschend ist, dass „Peugeot“ weit mehr als viele Autos hergestellt hat; so ziemlich jeder dürfte Dinge der Marke auch in seinem Haushalt haben!
Zudem kann man hier auch (einfach zu buchen) mit historischen Fahrzeugen die Region erkunden – so wie früher. Kleiner Tipp: Besorgen Sie sich einen schmackhaften Picknick-Korb in den Feinkostgeschäften der Stadt! Neben einem klassischen Baguette sollte auf alle Fälle Feines aus der Region dabei sein; ob Morbier (mit Asche-Schicht)oder Comté-Käse, die bekannten „Saucisses de Montbéliard“ oder andere feine Sachen aus der Region, die im „Gesamtpaket“ einen Ausflug dann auch zu einem genüsslichen Erlebnis machen!
Wundern Sie sich aber nicht, wenn Sie auf Speisekarten in den vielen kleineren Lokalen in der Stadt auch „Maultaschen“ oder „Spätzle“ finden: Montbéliard kann seine schwäbische Vergangenheit nicht wirklich verstecken. Aber man kann auch Feines im Fachhandel kaufen - und sich auf einen Spaziergang machen: Idyllisch für ein zünftiges Picknick ist zum Beispiel ein Besuch im Park Le Près-la-Rose, eine Pause am Canal du Rhône au Rhin mit seinen Hausbooten oder am Ufer des Flusses Doubs.
Von Hirsau nach Mömpelgard
Der berühmte Architekt Heinrich Schickhardt aus Herrenberg war für zahlreiche Bauten in Württemberg verantwortlich – etwa für das elegante Jagdschloss von Kloster Hirsau, an dem er als Gehilfe von Hofarchitekt Georg Beer mitwirkte. Das Kleinod ist heute zwar eine Ruine, die imposanten Überreste zeugen jedoch noch immer von der Größe und der hohen Qualität des Schlosses. Jenseits des Rheins war Schickhardt verantwortlich für den Bau verschiedener großer Monumente, so auch für die Errichtung der evangelischen Kirche Saint-Martin, die Erweiterung des Schlosses in Mömpelgard oder für prächtige Häuser im Stil der Spätrenaissance in Reichenweier und Hunaweier.
Daneben ist auch an zahlreichen weiteren Orten die Verbindung von Württemberg mit der Grafschaft Mömpelgard im Elsass erkennbar – auch wenn man hierfür etwas Hintergrundwissen braucht: So sind in vielen Ausführungen des württembergischen Wappens (Link: https://zeitzeugen-ludwigsburg-montbeliard.de/wappen/) die Barben Mömpelgards, zwei goldene Fische auf rotem Feld, zu sehen – wie etwa im Schloss Solitude oder im Residenzschloss Urach. 1407 heiratete Graf Eberhard IV. von Württemberg Henriette von Mömpelgard. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gehörte Montbéliard zum Haus Württemberg und wurde zum Zentrum seines linksrheinischen Besitzes. Hier fand Ulrich von Württemberg auch Zuflucht, nachdem er 1519 aus dem Herzogtum vertrieben wurde.
Gemeinsames Jubiläum durch die Geschichte
1324 kamen die beiden Gebiete im heutigen Elsass, mitten in einer Region Frankreichs, zum Grafen Ulrich III. von Württemberg, 1397 ging, durch einen Heiratsvertrag für seinen noch minderjährigen Sohn, Mömpelgard an den Grafen Eberhard III. von Württemberg. Damit kam die Grafschaft Mömpelgard zunächst unter württembergische Verwaltung und nach dem Tode der Schwiegertochter 1444 endgültig zu Württemberg. Interessant aber, dass staatsrechtlich die Grafschaft Mömpelgard und das Herzogtum Württemberg stets getrennt betrachtet wurden.
Bereits im 16. Jahrhundert wurde zum Beispiel in den württembergischen Besitzungen die Reformation eingeführt, zehn Jahre später erst in Württemberg. Mit weitreichenden Folgen übrigens, denn das frühere württembergische Gebiet ist heute noch eher eine lutherisch geprägte Enklave – im überwiegend katholischen Frankreich. Was auch dazu führte, dass während der Verfolgung in der Zeit von Ludwig XIV., viele Hugenotten hier Zuflucht fanden.
Die Enklaven in Frankreich blieben württembergisches Herrschaftsgebiet bis 1796, also über die Französische Revolution hinaus. Ob Frieden von Lunéville 1801, Reichsdeputationshauptschluss 1803 oder Frieden von Pressburg 1805: Verträge sorgen dann für den erneuten Wechsel der Ländereien, nicht jedoch ohne Gegenleistungen: Die linksrheinischen Gebiete gingen letztlich an Frankreich, der Rhein wurde zur Grenze, Württemberg erhielt dafür umfangreiche Gebiete in Süddeutschland – und wurde auch Königreich! Übrigens ging damals das Breisgau und die Landvogtei Ortenau an das Kurfürstentum Baden!
Verbindung im Wandel
Die Herrschaft aus Stuttgart endete mit dem Wechsel der linksrheinischen Gebiete an Frankreich, doch die Beziehungen erloschen jedoch nie ganz. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg wurde das Elsass 1871 wieder Teil des Deutschen Kaiserreichs. Doch mit Ende des Ersten Weltkriegs fiel die Region wieder an Frankreich, im Zuge des Dritten Reichs war das Elsass wieder deutsches Gebiet. Auffallend: Die Verbindungen überstanden alle diese Konflikte und Umbrüche, denn 1950 schlossen Ludwigsburg und Mömpelgard, längst Montbéliard genannt, die erste deutsch-französische Städtepartnerschaft, es folgte die Partnerschaft zwischen Karlsruhe und Nancy, zurückgehend auf einen Schüleraustausch im Jahr 1955.
Dann folgten weitere Partnerschaften aus dem Württembergischen in die Region, lebhafte Zeichen der Verbundenheit der beiden Regionen (Mehr dazu unter diesem Link: https://www.ludwigsburg.de/site/Ludwigsburg-Internet-2020/get/params_E-109812333/18056152/Jahresrueckblick-Ludwigsburg-Montbéliard-Sonder2020-deutsch.pdf). Die besondere Beziehung zwischen dem Herrschaftshaus und der französischen Region prägten Klöster und Schlösser im gesamten Land, die Spuren sind auch heute noch zu sehen. (© www.jowapress.de)
Infos: Die Anreise ist unkompliziert und schnell aus der Region; entweder mit dem Pkw über Mulhouse oder mit dem TGV nach Belfort-Montbéliard. Genügend gute Hotels finden sich in allen Preisklassen mitten im Zentrum, https://www.france.fr/de/,
https://www.montbeliard.fr und www.schloesser-und-gaerten.de
Bewegte Bilder aus Montbéliard:
Autor:Jo Wagner |
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