Problembündel: Tafel Landau verhängt Aufnahmestopp
Tafel am Limit
Landau. „Ich schaffe es nicht mehr, ich komme mit dem Druck und der Erwartungshaltung nicht klar“, offenbarte eine Tafel-Helferin kürzlich Kerstin Baudisch. Kerstin Baudisch ist die ehrenamtliche Vorsitzende der Tafel Landau. Am 6. Juni musste sie in Landau einen Aufnahmestopp verhängen. Die Helfer sind am Limit. Als Vorsitzende erklärt sie im Wochenblatt die aktuelle Situation.
Von Katharina Schmitt
Kerstin Baudisch ist 57 Jahre alt und seit zwölf Jahren bei der Tafel, seit nun mehr acht Jahren ist sie im Vorstand tätig. Die Landauer Tafel hat zwei Ausgabetage, Dienstag und Donnerstag, an denen normalerweise jeweils 80 Haushalte versorgt werden. Mit den neuankommenden Flüchtlingen sind es 110 Haushalte mehr. Aktuell könnte man einen dritten Ausgabetag nur mit ukrainischen Haushalten füllen, jedoch fehlen dafür die Kapazitäten, so Baudisch. Man habe seit Anfang März versucht, jeden Hilfesuchenden aufzunehmen, jedoch „hat man nicht so viele erwartet“, resümiert Baudisch.
Bündel an Problemen
„Die würdige Bedienung der Leute ist nicht mehr gewährleistet“, begründet die Vorsitzende die Entscheidung für einen Aufnahmestopp. Das Problem ist jedoch nicht nur auf zu viele Neukunden und zu wenige Lebensmittel begrenzt: Laut Baudisch ist es viel mehr ein Problembündel. Dabei geht es auch um die Belastbarkeit ihrer rund 55 Helfer. Diese engagieren sich ehrenamtlich und „viele vergessen, dass auch diese eine Belastbarkeitsgrenze haben“, stellt Baudisch fest. Die Vorsitzende sorgt sie sich um die mentale Gesundheit ihrer Helfer, denn „die Psyche muss geschützt werden.“ Die Helfer stehen teilweise acht Stunden im Laden. „Keiner fragt, ob wir das schaffen.“, bemerkt Baudisch verärgert über die fehlende Kommunikation und Hilfe der Behörden. Der Aufnahmestopp diene auch zum Schutz der Helfer, die den Druck beklagen.
Zusätzlich haben die Tafel nicht genug Platz für mehr Helfer und Lebensmittel. Dazu kommen die Sprachbarriere und das Verständnisproblem mit den neuankommenden Flüchtlingen. Die Kapazitäten für Helfer und Bedürftige sind gleichermaßen erschöpft. Für beide würde Baudisch gerne eine angemessene Betreuung gewährleisten, das wäre im Moment aber nicht möglich, sagt sie.
Falsche Erwartungen
Die Hoffnung, den Aufnahmestopp in ein paar Wochen zu beenden, lebt dennoch. Baudisch hofft darauf, dass viele der Ukrainer sich ein Netzwerk aufbauen und eventuell untereinander helfen können. Denn eines der Hauptprobleme, dass Baudisch nennt, ist, dass viele „den Hauptgedanken der Tafel nicht verstehen oder kennen.“ Einige Kunden würden denken, dass die Tafel „unbegrenzt Lebensmittel zur Verfügung habe“, so Baudisch. Dem ist nicht so. Zu viele, die nicht zwingend auf die Tafel angewiesen seien, werden versorgt. „Die Erwartungshaltung ist einfach zu hoch“, stellt Baudisch fest. Die Verärgerung der Kunden über daraus resultierende lange Wartezeiten und knappe Lebensmittel trifft mit den ehrenamtlichen Helfern die Falschen. kats
Dringend Hilfe benötigt
Die Tafel Landau sucht ab September einen neuen Bundesfreiwilligendienstler. Wer gerne mit anpacken will, soll sich per E-Mail an info@tafel-landau.de oder telefonisch unter 06341/30793 melden.
Auch Spenden werden immer gebraucht.
Mehr Solidarität!
Kommentar von Katharina Schmitt
Die Tafeln sind am Limit. Mehr Solidarität wird gefordert. Die Stimmung unter den Kunden ist gemischt. Viele sind dankbar, einige offen wütend. Das trifft die Helfer. Doch statt Wut brauchen sie mehr Solidarität - von Kunden und den Behörden. Laut Baudisch kann die extreme Erwartungshaltung bei Gesprächen relativiert werden. Die offene Kommunikation ist ihr sehr wichtig. Das Bewusstsein in der Bevölkerung, wozu die Tafel da ist, muss umfassend hergestellt werden. Baudisch betonte, dass die Tafel keinen Versorgungsauftrag hat. Aus der Gewohnheit wächst bei vielen Kunden ein Anspruchsdenken. Im Ursprungsgedanken sollten die Lebensmittel der Tafel ein Zubrot sein. Die ehrenamtlichen Helfer sind die falsche Adresse für Wut und Ärger.
Jetzt ist Solidarität gefragt: Die Aufgabe in der Zukunft muss sein, dass jeder auf seine Mitmenschen achtet und die Scheu minimiert wird, die Tafel in Anspruch zu nehmen. Oft herrscht ein „Finger zeig“, wenn jemand die Tafel in Anspruch nehmen muss. Das muss sich dringend ändern. Es kann jeden treffen.
Autor:Katharina Wirth aus Herxheim |
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